Es geht ums Vermächtnis – oder im Fall von Urs Rohner um die Frage, wie weiss seine Weste ist – nach 17 Jahren bei der Bank Credit Suisse, davon zwölf im Verwaltungsrat und die letzten zehn als Präsident.
Das Bild der «weissen Weste» hatte Rohner am 20. Mai 2014 in einem Interview frühmorgens mit Radio SRF gleich selbst zementiert. Damals ging es um den US-Steuerstreit, den die Bank mit einer 2.8-Milliarden-Dollar- Einigung und einem Schuldeingeständnis beilegte: «Persönlich haben wir sicher eine weisse Weste. Eine ganz andere Frage ist die der Bank insgesamt über die vergangenen Jahrzehnte.»
Persönlich haben wir sicher eine weisse Weste. Eine ganz andere Frage ist die der Bank insgesamt über die vergangenen Jahrzehnte.
Genau nach diesem Modus operierte Rohner in seiner ganzen Amtszeit als VR-Präsident: Seine Weste blieb in seinen Augen stets «weiss». Gehen mussten wenn, dann andere. So auch diesmal nach den Milliarden-Abschreibern wegen der Finanzdeals mit Greensill und Archegos.
Liste an Skandalen ist lang
Der 61-Jährige verstand es, noch so grosse Skandale und noch so teure Strafzahlungen auf dem Präsidentenstuhl auszusitzen. Die Liste unschöner Geschichten, die in seiner Amtszeit an die Oberfläche kamen, ist lang.
Neben dem US-Steuerstreit und dem erwähnten 2-8-Milliarden-Dollar-Vergleich sind da die US-Ramschpapiere in der Finanzkrise: Kostenpunkt über fünf Milliarden Dollar für Busse und Entschädigungen.
Ein weiterer Fall betrifft dubiose Kredite an Mosambik, zu denen zahlreiche Behörden ermitteln. Dazu kam die Beschattungsaffäre rund um Bankchef Tidjane Thiam, die in dessen Rücktritt gipfelte. Und nun Greensill und Archegos, dessen immense Verluste mehr als einen üblichen Jahresgewinn der Bank auffressen.
Grundlegende Fragen blieben unbeantwortet
Doch Rohner sieht sich stets als Teil der Lösung und nicht als Teil des Problems. Und dies, obwohl die jüngsten Vorfälle – genauso wie die älteren zuvor – ganz grundsätzliche Fragen aufwerfen: Was läuft schief bei der Credit Suisse, beim Risikomanagement, bei bankinternen Kontrollen, bei Verantwortlichkeiten?
Offenbar gibt es noch immer Fehlanreize für Bankerinnen und Banker, wenn diese das Zocken in der Grauzone dem regelkonformen Spiel vorziehen. Rohner hat es in seiner Amtszeit nicht geschafft, Antworten auf diese grundlegenden Fragen zu finden. Er hat es nicht geschafft, die Bank aus Finanzskandalen rauszuhalten und die Reputation des Konzerns zu schützen.
Ringen bis zuletzt um das eigene Vermächtnis
Schon oft hätte Rohner zurücktreten können. Stattdessen versprach er nach Skandalen stets eine schonungslose Aufarbeitung und gelobte Besserung. Jetzt, dreieinhalb Wochen vor dem Ende seiner Amtszeit, brächte ein Rücktritt kaum noch etwas.
Stattdessen greift der Verwaltungsrat unter Rohner jetzt rigoroser durch als nach früheren Skandalen: Chef-Boni streichen, Dividende kürzen, Aktienrückkauf stoppen, zwei Geschäftsleitungsmitglieder austauschen. Dazu der Verzicht, die Generalversammlung Ende April um die Décharge für die Bankenspitze zu bitten. Urs Rohner hat nichts mehr zu verlieren. Er ringt einzig noch um das Weiss seiner Weste.