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CS-Verwaltungsratspräsident Lehmann: «Beim Bankengeschäft geht es ums Eingehen von Risiken»

Axel Lehmann folgt als dritter Verwaltungsratspräsident innerhalb eines Jahres auf den abtretenden António Horta-Osório – und will die Credit Suisse (CS) in ruhiges Fahrwasser führen. Man wolle sich nun auf das Kundengeschäft und dessen Umsetzung konzentrieren, betont Lehmann.

Axel Lehmann

Verwaltungsratspräsident der Credit Suisse

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Axel Lehmann sitzt seit Oktober 2021 im Verwaltungsrat der Credit Suisse. Mitte Januar 2022 wurde er mit sofortiger Wirkung zum neuen Verwaltungsratspräsident der Grossbank ernannt. Zuvor war er seit 2018 Chef der UBS Schweiz und Vorgesetzter von über 20'000 Angestellten.

SRF News: Sind Sie bereit für das Präsidium?

Axel Lehmann: Ich glaube, ich bin bereit, sonst hätte ich mich nicht zur Verfügung gestellt. Ich bin im Oktober in den Verwaltungsrat gewählt worden und hatte Zeit, mich intensiv einzuarbeiten. In dem Sinne bin ich bereit und schaue in die Zukunft.

Ihr Vorgänger hatte Strategieänderungen eingeleitet und wollte das Vertrauen bei Kunden und Investoren zurückgewinnen. Machen Sie da weiter, wo er aufgehört hat?

Ich wurde am 1. Oktober in den Verwaltungsrat gewählt und am gleichen Wochenende haben wir die Strategie diskutiert. Ich stehe voll dahinter, wurde auch noch einmal im Verwaltungsrat und in der Konzernleitung so bestätigt. An der Strategie wird sich nichts verändern. Wir wollen uns auf das Schweizer Geschäft, aufs «Wealth Managment» konzentrieren sowie die Risiken der Unternehmen, speziell in der Investmentbank. Wir wollen uns jetzt auf die Umsetzung konzentrieren.

Man wird hoffentlich spüren, dass ich die CS in ruhiges Fahrwasser führen kann.

Woran wird man spüren, dass Lehmann der CS-Verwaltungsratspräsident ist?

Man wird hoffentlich spüren, dass ich die CS in ruhiges Fahrwasser führen kann. Dass wir uns auf das Kundengeschäft sowie die Umsetzung konzentrieren und auch die Transformation der CS als Gruppe weltweit weiterführen können.

Der Aktienkurs der CS ist in den letzten Jahren stetig gesunken. Die CS wurde auch schon als möglicher Übernahmekandidat gehandelt. Wie stehen Sie dazu?

Der Aktienkurs ist ein Resultat der Leistungen, die wir erbringen. Darum konzentrieren wir uns jetzt auf die Umsetzung des Geschäftes. Wir wollen uns auf das Kundengeschäft konzentrieren und dann Schritt für Schritt wieder die operative Exzellenz erreichen, die wir brauchen. Ich glaube, das ist das Wichtigste. Dann wird sich der Aktienkurs hoffentlich in die richtige Richtung bewegen.

Pläne von Lehmann haben sich geändert

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Mit dem Rücktritt von CS-Verwaltungsratspräsident António Horta-Osório haben sich die Pläne von Axel Lehmann abrupt geändert. Eigentlich hätte er 2023 Präsident des Versicherers Helvetia werden sollen, nun wird er Präsident der zweitgrössten Schweizer Bank. Lehmann hat das Amt bereits angetreten und wird an der CS-Generalversammlung vom 29. April zur Wahl vorgeschlagen.

Vorschusslorbeeren gibt es für den neuen CS-Chef keine. Lehmann bringe zwar weitreichende Erfahrung in der Schweizer Bankenszene mit, kommentiert ZKB-Analyst Michael Kunz. «Ob es ihm aber gelingt, die Credit Suisse schnell in ruhigere Gewässer zu bringen, sodass sich die Bank wieder aufs operative Geschäft konzentrieren kann, muss man angesichts der vielen Versuche der letzten Jahre erst einmal abwarten.»

Die Strategieänderung war nötig wegen verschiedenen unschönen Ereignissen. Ganz frei von Risiken ist die CS auch in Zukunft nicht. Wie gehen Sie als Risikoexperte damit um?

Es ist wichtig, dass wir unsere Risikosysteme, unseren Ansatz, wie wir Risikomanagement verbessern, nach wie vor im Auge behalten. Noch viel wichtiger ist aber die kulturelle Transformation. Wir wollen eine solide, gute Risikokultur in unserer Firma haben, in der wir bewusst Risiken eingehen. Beim Bankengeschäft geht es ums Eingehen von Risiken, aber keine zu grossen oder unkalkulierbaren.

In den letzten Wochen gab es Gerüchte, dass es zwischen ihrem Vorgänger und dem Chef der Bank, Thomas Gottstein, einen Machtkampf gegeben habe. Wie stehen Sie zu Gottstein?

Es ist wichtig, dass wir Kontinuität haben. Ich bin für eine offene Kultur. Wir müssen offen diskutieren können. Das dürfen auch intensive, kontroverse Diskussionen sein. Das gehört zum Geschäftsleben dazu. In dem Sinne werden wir konstruktiv zusammenarbeiten.

Was den Verwaltungsrat betrifft, gibt es zum Beispiel mit Severin Schwan einen Mann, der noch ein SMI-Unternehmen führt. Ist das aus Ihrer Sicht gut?

Ich glaube, wir hatten jetzt intensive Tage hinter uns – schwierige Entscheidungen und Diskussionen, die geführt wurden. Das schweisst einen Verwaltungsrat, eine Konzernleitung zusammen. Natürlich werden wir im Auftrag der Generalversammlung wie jedes Jahr gut überlegen: Wer steht zur Wiederwahl an oder gibt es eventuell neue Kandidatinnen und Kandidaten? Das wird ein Schwerpunkt meiner Aktivitäten in den kommenden Tagen und Wochen sein.

Das Gespräch führte Klaus Ammann.

Credit Suisse in Schieflage: Was bisher geschah

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Bei der Grossbank Credit Suisse reissen die negativen Schlagzeilen nicht ab. Eine Chronologie wichtiger Ereignisse der vergangenen acht Jahre:

  • Mai 2014: Die CS einigt sich im Steuerstreit mit den USA mit dem US-Justizdepartement. Die Grossbank bekennt sich schuldig, US-Amerikanern bei der Steuerhinterziehung geholfen zu haben und akzeptiert eine Busse von 2.6 Milliarden US-Dollar. Im zweiten Quartal 2014 erlitt die Bank wegen einer Belastung durch den Vergleich von 1.6 Milliarden Franken einen Verlust von 700 Millionen Franken.
  • Juli 2015: Konzernchef Brady Dougan tritt nach acht Jahren als CEO zurück. Der US-Investmentbanker galt lange als fast unantastbar, weil die Bank unter seiner Führung besser durch die Finanzkrise gekommen war als andere. Später geriet er wegen seiner hohen Entschädigungen in die Kritik. Neuer Chef wird Tidjane Thiam. Er baut die Bank um und führt zwei milliardenschwere Kapitalerhöhungen durch.
  • Im vierten Quartal 2015 macht die CS vor allem wegen eines riesigen Abschreibers auf Altlasten und Sonderfaktoren einen Reinverlust von 5.83 Milliarden Franken. Wegen des wenig erfolgreichen Kaufs der US-Bank Donaldson, Lufkin & Jenrette (DLJ) musste der Goodwill im Investment Banking um 3.8 Milliarden wertberichtigt werden.
  • Dezember 2016: Die Credit Suisse einigt sich im Hypothekenstreit mit den USA auf einen Vergleich. Im Zusammenhang mit dem früheren Geschäft mit faulen Hypothekenpapieren verpflichtet sich die Bank zu einer Busse in Höhe von 2.48 Milliarden Dollar und Entschädigungen an Kreditnehmer von 2.8 Milliarden. Im vierten Quartal 2016 erleidet die CS einen Verlust von 2.35 Milliarden Franken.
  • Februar 2020: Konzernchef Tidjane Thiam tritt wegen der Beschattung von mehreren Topmanagern durch die Bank zurück. Er betont, dass er nichts von den Beschattungen gewusst habe, deren Bekanntwerden seit Herbst 2019 für Aufregung gesorgt hatte. Nachfolger wird Thomas Gottstein.
  • März 2021: Die CS setzt den Handel mit Supply Chain Finance Funds (SCFF) aus, welche sie mit der insolventen Greensill Capital erstellt hat. Die Aufarbeitung läuft noch: Den Investoren wurden bis heute im Zuge der Abwicklung 6.7 Milliarden der Fondsvermögen von ursprünglich rund 10 Milliarden Dollar zurückerstattet.
  • Im ersten Quartal 2021 belastet der Zusammenbruch des Hedgefonds Archegos das Ergebnis der Grossbank mit 4.4 Milliarden Franken, im zweiten Quartal kommen 0.6 Milliarden dazu. Der hoch verschuldete US-Hedgefonds war Ende März seinen Verpflichtungen gegenüber der CS und weiteren Banken nicht mehr nachgekommen.
  • 17. Januar 2022: CS-Verwaltungsratspräsident António Horta-Osório tritt wegen Verstössen gegen Quarantäne-Auflagen zurück. Der Portugiese war erst im April als Nachfolger von Urs Rohner angetreten. Rohner hatte den Posten nach der maximalen Amtszeit von zehn Jahren abgegeben. Neuer Verwaltungsratspräsident wird Axel Lehmann.

SRF 4 News, 17.01.2022, 11:03 Uhr ; 

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