Daten seien das neue Öl, heisst es allenthalben – ein Rohstoff der helfe, um mehr über Kundinnen und Kunden zu erfahren. Entsprechend eifrig sammeln Unternehmen darum Informationen über uns. Doch das Schweizer Datenschutzgesetzt gibt allen das Recht, zu erfahren, welche Daten über sie gespeichert sind. Wenn nötig, kann man diese Daten auch löschen oder korrigieren lassen.
Seit kurzem findet man auf der Webseite der Digitalen Gesellschaft Schweiz einen Generator, der automatisch solche Datenauskunftsbegehren erstellt (siehe Kasten oben). Ausserdem setzt der Generator gleich auch die Adressen der wichtigsten Datensammler ein – Anbieter von Kundenkarten z.B. oder Unternehmen, die Kreditauskünfte geben.
116 Anfragen – aber nur 72 Antworten
Im Normalfall erstellt man wohl höchstens eine Handvoll solcher Briefe. Ich dagegen habe die Maximalvariante gewählt und alle 116 Adressen angeschrieben, die zu dem Zeitpunkt in der Datenbank verfügbar waren – ich habe also 116 Datenauskunftsbegehren gedruckt, unterschrieben, in ein Couvert gesteckt, adressiert und zur Post gebracht.
Das Datenschutzgesetz gibt den Angeschriebenen 30 Tage Zeit, Auskunft zu erteilen oder mitzuteilen, bis wann mit Auskunft zu rechnen ist. Allerdings: Auch nach 60 Tagen hatte ich erst von 72 der 116 Unternehmen eine Antwort erhalten. Um das Auskunftsrecht tatsächlich durchzusetzen, müsste Klage erhoben werden – etwas, wovor die meisten Auskunftssuchenden wohl zurückschrecken.
Detailhändler nutzen Einkaufsdaten zur Kundensegmentierung
Doch auch wenn es eine Antwort gab, machte sich oft Ernüchterung breit: Die Erklärungen, welche Daten von mir gesammelt wurden, aus welchen Quellen sie stammen, wie sie ausgewertet und allenfalls an Dritte weitergegeben werden, waren oft derart unverständlich formuliert, dass am Ende bloss die Erkenntnis blieb, dass ein Unternehmen Daten von mir sammelt.
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Das war mir in den meisten Fällen auch vorher schon klar: Wer z.B. wie ich die Supercard von Coop oder die Cumulus-Karte der Migros braucht, gibt den Detailhändlern vollständige Einsicht in sein Kaufverhalten. Von beiden bekam ich darum Seite um Seite eine Auflistung aller Käufe, bei denen in den letzten Jahren eine der Kundenkarten zum Zug kam.
Interessant war zu sehen, wie mich die Händler anhand dieser Daten einem bestimmten Kundensegment zuordnen: Coop zum Beispiel glaubt, dass ich hohes Interesse an nachhaltigen Produkten habe, für die Migros ist mein wichtigstes Kaufmotiv «Ausgewogenheit und Qualität».
Für viele Unternehmen bloss eine lästige Strafaufgabe
Meine Daten landeten aber auch bei Unternehmen, mit denen ich nie persönlich zu tun hatte. Denn bei der Annahme allgemeiner Geschäftsbedingungen stimmt man häufig zu, dass Daten an Dritte weitergegeben werden dürfen – zum Beispiel an Unternehmen, die Kreditauskünfte geben.
Offenbar ist die Auskunftspflicht eine grössere Herausforderung, selbst für diejenigen Unternehmen, deren Geschäftsmodell im Kern auf Daten beruht.
Erstaunt musste ich feststellen, wie veraltet und unvollständig viele der Daten sind, die solche Unternehmen von mir gespeichert haben. Doch auch hier liessen schwammige Formulierungen viele Fragen offen. Als Erklärung, aus welchen Quellen die gesammelten Angaben stammten, stand da z.B. bloss: «Daten aus dem Forderungsmanagement».
Auf das eher ernüchternde Resultat meines Versuchs angesprochen hiess es vonseiten des EDÖB: «Offenbar ist die Auskunftspflicht eine grössere Herausforderung, selbst für diejenigen Unternehmen, deren Geschäftsmodell im Kern auf Daten beruht» – ein treffendes Fazit. Der Eindruck liegt nahe, dass ein Auskunftsbegehren für viele Datensammler bloss eine lästige Strafaufgabe ist – vor der man sich nur zu gern drücken möchte.