- Die Firma Mowag im thurgauischen Kreuzlingen erlebt einen regelrechten Boom: Die Auftragsbücher sind voll, hunderte Mitarbeiter werden eingestellt.
- Trotzdem will die Mowag ihre Panzer neu auch in Länder mit bewaffneten Konflikten exportieren dürfen.
- Dazu erhält sie Rückendeckung vom Kanton.
Der Radschützenpanzer Piranha ist der Verkaufsschlager der Firma Mowag. Ein sogenannt hochgeschütztes Fahrzeug, das Soldaten gegen Minen, Granaten und Beschuss abschirmt. Geliefert wird der Piranha an Armeen in halb Europa und sogar nach Brasilien.
Hergestellt wird der Piranha in Kreuzlingen. Ebenso die anderen beiden Fahrzeugen der Firma: der Eagle und der Duro, den auch die Schweizer Armee nutzt. Auch wenn die Mowag seit rund 15 Jahren zum amerikanischen Rüstungsgiganten General Dynamics gehört, gelten die Fahrzeuge auch heute noch als Thurgauer Traditionsware.
«Wir sind auf vier Jahre hinaus ausgebucht»
Wirtschaftlich könnte es der Firma kaum besser gehen. Grossaufträge aus Dänemark und Rumänien über je mehrere hundert Millionen Franken hat die Mowag an Land gezogen. Um alle Aufträge erfüllen zu können, reichen die Kapazitäten am Standort in Kreuzlingen nicht mehr aus. Deshalb stampft die Mowag derzeit im benachbarten Tägerwilen einen neuen Firmenkomplex aus dem Boden und stellt hunderte neue Mitarbeiter ein.
Seit Ende 2015 ist die Zahl der Beschäftigten von knapp 600 auf über 800 gestiegen. Bis in zwei Jahren will Geschäftsleiter Oliver Dürr sogar 1000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf der Lohnliste haben. «Wir sind auf vier Jahre hinaus ausgebucht», so Dürr. «Viele Länder haben im Rüstungsbereich Nachholbedarf. Wir profitieren davon, dass es auf der Welt leider nicht den absoluten Frieden gibt.»
Blick auf neue Märkte
Obschon das Geschäft läuft wie geschmiert, will die Mowag neue Märkte erschliessen. Gemeinsam mit anderen Rüstungsunternehmen hat sie vom Bundesrat verlangt, die Regeln für Rüstungsexporte in Länder mit bewaffneten Konflikten zu lockern.
Tatsächlich wird der Bundesrat die Kriegsmaterialverordnung entsprechend ändern. «Wir wollen nicht in Bürgerkriegsländer liefern. Aber wir wollen gleichen Marktzugang wie unsere Konkurrenten aus der EU», sagt Dürr. Die Bewilligungspraxis des Staatssekretariats für Wirtschaft Seco sei in den letzten Jahren strenger geworden. Das gelte es zu korrigieren.
Für die Thurgauer Wirtschaft sind das gute Nachrichten. Die Mowag ist die grösste Arbeitgeberin in der Bodenseeregion und gehört auch kantonal zu den Schwergewichten. Dazu kommt: An den Panzern aus Kreuzlingen verdienen auch zahlreiche Zulieferer mit. Rund 150 sind es alleine im Kanton Thurgau, schweizweit sind es laut Angaben der Firma über Tausend.
Vertrauen in den Bundesrat
Bei der auf Schweissarbeiten spezialisierten Neuweiler AG in Kreuzlingen arbeiten beispielsweise 10 von 70 Mitarbeiter für Mowag-Aufträge. «Diese Aufträge sind für uns von grosser Bedeutung», sagt Geschäftsführer Christian Neuweiler. Er ist auch Präsident der Thurgauer Industrie und Handelskammer und sitzt in der Leitung der FDP Thurgau. Die Lockerung der Export-Bestimmungen findet Neuweiler unproblematisch. Er habe Vertrauen in die Entscheidungen des Bundesrates und die Kontrollen des Seco.
Auch beim kantonalen Amt für Wirtschaft und Arbeit weist man auf die grosse wirtschaftliche Bedeutung der Mowag hin. «Heikle Exporte sind bei uns kein Thema, überhaupt hört und liest man im Thurgau wenig Kritik an der Mowag», sagt Amtsleiter Daniel Wessner.
Eine Umfrage unter den Parteien zeigt: Die Lockerung der Kriegsmaterialverordnung kommt auch im Thurgau nicht nur gut an. Auf kantonaler Ebene äussern sich SP, Grüne, GLP und CVP kritisch. Die beiden grössten Parteien im bürgerlich dominierten Kanton, SVP und FDP, begrüssen hingegen die längere Leine für die Rüstungsindustrie.
Auf lokaler Ebene jedoch ist selbst die eigentlich rüstungskritische SP gespalten. «In der Brust der meisten Fraktionsmitglieder schlagen zwei Herzen», sagt Ruedi Herzog, Chef der SP-Fraktion im Kreuzlinger Stadtparlament. «Auf der einen Seite stehen gewerkschaftliche Gedanken – Schutz der Arbeitsplätze und damit der Firma – auf der anderen Seite steht die Überzeugung, dass Exporte von Kriegsmaterial nicht ausgedehnt werden sollten.»
Ob Thurgauer Panzer künftig auch in Bürgerkriegsländer geliefert werden dürfen, darüber muss möglicherweise das Stimmvolk entscheiden. Ein überparteiliches Komitee will die Frage mittels einer Volksinitiative an die Urne bringen.