SRF: Herr Cirillo, die Gewinne der Post sinken. Wird die Post mittelfristig zu einem Sanierungsfall?
Roberto Cirillo: Wir müssen jetzt handeln, damit wir die Zukunft der Post sichern und unsere Mission, die Schweiz zu modernisieren, auch in den nächsten zehn Jahren weiterführen können.
Wie wollen Sie die Grundversorgung finanzieren? Die Erträge der Briefpost sinken, die Erträge von Postfinance sinken...
Wir müssen die Post als Gesamtsystem anschauen und dafür sorgen, dass wir neue Ertragsquellen erschliessen.
Neue Ertragsquellen ist das eine, man könnte auch die Grundversorgung abspecken. Muss etwa der Briefpöstler täglich kommen? Wäre jeder zweite oder dritte Tag nicht genug?
Die Wirtschaft und unsere Mitbürger erwarten es so. Das ist heute unser Auftrag, und so wollen wir das ausführen. Sollte sich der Auftrag ändern, würden wir uns entsprechend anpassen.
2020 hat die Post noch etwa 800 bis 900 Filialen. Brauchen Sie überhaupt noch eigene Filialen? Die schwedische Post zum Beispiel hat keine eigenen Filialen, sondern alles ausgelagert, etwa an Detailhandelsgeschäfte oder Lebensmittelfilialen.
Leere Filialen braucht niemand, das stimmt. Aber die Nähe zur Bevölkerung ist unsere Stärke. Wir könnten daraus etwas machen, wenn wir die Filialen öffnen und wenn wir die Möglichkeit haben, neue Dienstleistungen in diesen Filialen anzubieten. Daran arbeiten wir.
Was könnten das für Dienstleistungen sein?
Wir müssen dafür sorgen, dass wir in der Schweiz keine Dienstleistungswüsten kreieren. Viele Firmen ziehen sich ins Online zurück, der physische Kontakt zwischen Firmen und Bevölkerung wird seltener. Das können wir zur Verfügung stellen. Und das wäre eine Möglichkeit, dieses Filialnetz aufrecht zu erhalten
Der Online-Handel boomt. Das sollte doch eigentlich Ihre ganzen Finanzprobleme lösen.
Das hilft, und wir werden daran arbeiten, dass wir in diesem Bereich mehr machen, um die Bedürfnisse von Bevölkerung und Wirtschaft zu erfüllen. Aber der Bereich braucht signifikante Investitionen in den nächsten Jahren, damit diese gewaltige Menge an Paketen und Güter transportiert und rechtzeitig geliefert werden.
Wie viel wollen Sie investieren?
Wir wissen, dass die neuen Zentren, die wir gerade in Betrieb nehmen, je 50 bis 100 Millionen kosten. Und wir werden in Zukunft ungefähr 10 bis 15 davon brauchen. Das sind 1 bis 1.5 Milliarden, die wir in den nächsten zehn Jahren investieren müssen.
Also eine grosse Investition. Doch Sie haben viel Konkurrenz in diesem Bereich. Das heisst, Sie können die Preise nicht einfach erhöhen, wie Sie wollen.
Wir haben in allen Bereichen Konkurrenz. Wir sind mit unseren meisten Aktivitäten auf dem freien Markt. Und wir machen das auch relativ erfolgreich. Wir sind es uns gewohnt, im Konkurrenzmarkt zu arbeiten. Und da sehen wir kein Problem.
Sie haben angekündigt, dass Sie die Pakettarife für Geschäftskunden gerne anheben möchten. Aber können Sie das überhaupt durchsetzen? Sie haben ja die Grossen dieser Welt als Kunden wie Amazon oder Zalando. Die machen doch Druck auf Sie und wollen keine höheren Tarife bezahlen.
Wir haben aber gleichzeitig auch die höchste Qualität der Welt. Dienstleistungen und Qualität der Dienstleistungen, die wir anbieten, ist einmalig. Und für diese Qualität sollen die Kunden auch etwas bezahlen müssen.
Aber bezahlen nicht die Privatkunden die Zeche mit immer höheren Paketpreisen, während Sie Grosskunden Rabatte gewähren?
Wir haben eine Preisstruktur, die für alle mit ähnlichem Paketvolumen gleich ist.
Ihre Konkurrenten wollen teilweise mit Ihnen zusammen Infrastrukturen schaffen oder die Post-Infrastruktur nutzen. Was sagen Sie zu solchen Plänen?
Wir müssen für die Zukunft alle Möglichkeiten anschauen, damit wir vor allem unser Netz – also die Filialen – besser auslasten. Und die Qualität, die wir dort anbieten, hat natürlich ihren Preis. Aber wenn der Preis stimmt, dann müssen wir uns auch überlegen, ob wir das öffnen wollen.
Das heisst, auch Konkurrenten könnten Ihr Filialnetz benutzen, wenn sie einen gewissen Preis dafür bezahlen?
Vor allem können wir dieses Netz anderen Unternehmen zur Verfügung stellen, damit sie ihre Dienstleistungen und Produkte durch unsere Filialen anbieten.
Sie wollen ja auch im Ausland tätig sein. Ist das nicht sehr gefährlich? Die Auslandstrategien der Post waren ja bisher nicht so wahnsinnig erfolgreich.
Es gibt Geschäftsbereiche, für die die internationale Komponente sehr wichtig ist. Wir wollen dafür sorgen, dass Schweizer Unternehmen Zutritt haben zu Märkten im Ausland. Und dafür müssen wir sicherstellen, dass wir die richtige Präsenz und die richtigen Partnerschaften haben. Das wollen wir sicherstellen.
Also die Grundversorgung in der Schweiz mit Aktivitäten im Ausland finanzieren. Funktioniert das?
Natürlich. Und das wird immer mehr der Fall sein, weil sich die Welt öffnet. Wir müssen dafür sorgen, dass wir Schweizer Firmen mehr Möglichkeiten zur Verfügung stellen.