Es hat sich angefühlt wie eine schreckliche Trennung. Ich hatte ein Gefühl von Taubheit und wusste nicht mehr, was ich nach dem Aufstehen mit mir anfangen sollte.
Für die eigene Familie ist es sehr belastend, wenn man viel Herzblut in den Aufbau einer Firma steckt. Umso schlimmer ist es, wenn dabei nichts herauskommt.
Dies sind Aussagen von Gründern, die aus ihrer eigenen Firma geworfen wurden. In Gesprächen mit dem Wirtschaftsmagazin «ECO» berichten zahlreiche Betroffene vom Erlebten.
Sie wollen anonym bleiben. Zu gross ist die Angst, in der Branche keinen Fuss mehr auf den Boden zu bekommen. Zudem müssen sich viele an Verschwiegenheits-Vereinbarungen halten.
Ich bin der Firma verpflichtet, nicht dem Gründer.
In der Regel kommt es so weit, wenn Verwaltungsrat und Investoren einschreiten. «Meistens sind die Auslöser Streitigkeiten im Management oder dass die Firma irgendwo ansteht», sagt Martin Münchbach. Er investiert mit BB Biotech Ventures in Jungunternehmen aus dem Biotech-Bereich.
In einem von zehn Fällen, so berichtet Martin Münchbach, kommt es zum Machtkampf. Der Gründer muss gehen, obwohl er nicht will. Martin Münchbach erklärt die Gründe für dieses radikale Einschreiten: «Es kann sein, dass die Firma nicht mehr fähig ist, mit dem Gründer als Galionsfigur Kapital neu aufzunehmen», sagt er. Oder das Management funktioniere nicht mehr und trage nur noch Streitigkeiten aus anstatt die Firma voranzubringen.
Das Absetzen eines Gründern sei ein sehr heikler Prozess, denn: «Sie dürfen natürlich nie die Firma zerstören. Ich bin der Firma verpflichtet, ich bin nicht dem Gründer verpflichtet.»
Eine vielversprechende Geschäftsidee zu haben und daraus eine Firma zu gründen, ist das eine. Ein gewachsenes Unternehmen mit zahlreichen Mitarbeitern zu führen, etwas ganz anderes. Darauf weist Arie Verkuil hin. Er leitet das Institut für Unternehmensführung an der Fachhochschule Nordwestschweiz.
In seinen Forschungen unterschiedet er mehrere Phasen der Unternehmensführung. Jede bringe ihre eigenen Anforderungen mit sich: «In der Startup-Phase geht es darum, die Unternehmung mal wirklich zum Laufen zu bringen. Mann muss das Produkt marktfähig machen, einen Kundenstamm aufbauen, den Vertrieb organisieren.» Später müsse vieles geregelt werden, das zuvor informell gegangen sei. Dafür seien andere Eigenschaften nötig.
Er hat einen Persönlichkeitstest für angehende Gründer entwickelt. Damit sollen die Wissenschaftler sich kritisch hinterfragen und eine Antwort auf die Frage finden: Soll ich das Unternehmen, das ich gründe, auch selbst führen?
Arie Verkuils Anliegen ist es, den Posten des Geschäftsführers nicht überzubewerten: «Der Begriff CEO ist besetzt. Es geht um Macht, um Kontrolle, um Einfluss, um Status. Mir ist es wichtig aufzuzeigen, dass es unterschiedliche Funktionen gibt in einer Unternehmung, die alle wichtig sind und die alle zusammenspielen müssen.»
Ein Chef, der sich selbst abgesetzt hat
Macht abzugeben fordert allerdings viel. Ein CEO aus St. Gallen ist diesen Schritt vor vier Jahren gegangen. Hermann Arnold hat sich als Chef des Software-Herstellers Haufe-Umantis selbst abgesetzt. «Ich habe mich jedes Jahr gefragt, ob ich noch der Richtige bin für den Job, um den es jetzt geht», erzählt er.
Nach 13 Jahren hat er diese Frage mit Nein beantwortet. «Der Führungsstil, den es dann gebraucht hat, war einer, der die Leute stärker in die Verantwortung nimmt. Man muss weniger vorneweg laufen und schauen, dass alle mitlaufen können, sondern man muss die Verantwortung mit allen, auch negativen, Konsequenzen stärker in das Team hineintragen.»
Er hat den Job an einen ehemaligen Praktikanten übergeben. Dieser sei näher an den Leuten.
Der Schritt hiess nicht, dass er seine Entscheidung nicht auch ab und zu bereut. Denn die Lorbeeren erhält nun sein Nachfolger.
Man hat das Gefühl, man sei der einzig Schlaue und alle andere sind Idioten.
Er selbst hat sich von einem Tag auf den anderen in einer neuen Welt wiedergefunden. Hermann Arnold berichtet von einer Sitzung mit Kunden, in der er die Neuigkeit damals verkündet hatte: «Die erste Stunde hat sich die Sitzung angefühlt wie immer. In der Mitte habe ich erwähnt, dass mein Kollege ab nächstem Monat der Geschäftsführer sein wird und ich zurücktrete. Und ab diesem Zeitpunkt hätte ich den Raum verlassen können.» Die gesamte Energie und Aufmerksamkeit sei von ihm zu seinem Kollegen gewandert. «Das war fast schon unhöflich.»
«Da merkt man dann plötzlich, wie wenig die eigene Person ist und wie viel die Rolle ist.» Als Geschäftsführer sei man ständig mit den wichtigen Themen konfrontiert. Das führe zu einer verzerrten Selbstwahrnehmung.
Oder in Hermann Arnolds Worten: «Wenn das laufend passiert – Es gibt scheinbar unlösbare Probleme, die Leute kommen zusammen, als Geschäftsführer löst man das Problem, und dann ist es plötzlich gelöst –, hat man irgendwann das Gefühl, man sei der einzig Schlaue und alle andere sind Idioten.»