Eine unabhängige Designerin, die den digitalen Wandel miterlebt hat, ist Silke Türck: 2003 hat die 45jährige Deutsche angefangen, ihre eigenen Designs unter der Marke «Schnittchen» zu entwerfen und zu verkaufen – via Versand oder in Läden, wie das damals alle machten.
Schnittchen: Nur noch digital
Ihr Sortiment besteht vor allem aus Frauenkleidern. Die Schnittmuster dazu verkauft sie nur noch digital: Die Kundinnen kaufen diese als PDF, drucken alles auf Einzelblätter zu Hause aus und setzen es wie ein Puzzle zusammen.
Den Grund für ihren Wechsel sieht sie vor allem in der Käuferschaft selber: Es sind «Frauen, die mit dem Internet aufgewachsen sind und über soziale Medien von Schnittchen erfahren», wie Silke Türck sagt. Zudem kämen viele Bestellungen aus dem Ausland. Hier würden bei einem digitalen Schnittmuster die Versandkosten entfallen. Und so lohnt sich der analoge Vertrieb schlicht nicht mehr. Seit drei Jahren übersetzt sie zudem alles auch auf Englisch und erreicht so ein globales Publikum.
Die Grossen ziehen mit
Natürlich haben bei dieser Digitalisierung auch die grossen Konzerne mitgezogen, die lange die einzige Anlaufstelle für Hobbyschneiderinnen waren: Das US-Unternehmen McCall‘s, zu denen auch die Marken Vogue, Butterick und Kwik Sew gehören, das ebenfalls aus den USA stammende Simplicity und Burda Style, das Teil des deutschen Hubert-Burda-Medienkonzerns ist. Sie alle bieten neben ihren fixfertigen Schnittmustern auch solche zum Download an.
Burda Style – früher-Burda Moden – ist im deutschen Raum die bekannteste Marke, zu der eine Monatszeitschrift, Einzelschnittmuster und ein Webauftritt gehören. Seit 2007 verkauft die Marke digitale Schnittmuster zum Herunterladen. Sie erreicht damit eine jüngere Zielgruppe, wie Philipp Weber von Burda Style schreibt. Über konkrete Downloadzahlen schweigt er, bezeichnet es aber als «wachsendes Zusatzgeschäft».
Digial vs. Analog: Eine Generationenfrage
Das digitale und analoge Angebot spricht letztlich «zwei unterschiedliche Zielgruppen an, die eine geringe Überschneidung haben», so Philipp Weber. Noch deutlicher wird eine anonyme Quelle, die bei einem der drei Konzerne arbeitet: Die digitalen Downloads fänden bei ihrer Kundschaft wenig Anklang: Zu unhandlich sei das kleine A4-Papier, zu mühsam sei es, die Teile zum kompletten Schnittmuster zusammen zu setzen.
Unabhängigen Labels wie Schnittchen seien aber eine willkommene Ergänzung, da sie via soziale Medien einen direkteren Draht zu den Hobby-Näherinnen hätten. Letztlich ist die Zielgruppe eine Generationenfrage, ähnlich wie im Musikbusiness: Das jüngere Publikum greift noch eher zu den digitalen Schnittmustern, ältere, weniger Internet-affine zu den analogen.
Konkurrenz unter den Kleinen
So findet der Konkurrenzkampf weniger zwischen den grossen Unternehmen und den kleinen Labels statt – hier kommt es vielmehr zu Kooperationen: Die Näh-Bloggerin Gretchen Hirsch publiziert etwa unter Butterick ihre eigenen Kleider.
Obwohl es die digitalen Schnittmuster schon länger gibt, hat die Branche erst in den letzten Jahren in diesem Bereich an Fahrt gewonnen: Digitale Schnittmuster selber herzustellen ist mittlerweile viel einfacher geworden und soziale Medien helfen, die eigene Marke zu bewerben. Die Eintrittsschwelle ist viel tiefer als noch Jahre zuvor.
Die Nische der unabhängigen, digitalen Schnittmuster-Labels ist jung: Silke Türck findet, dass noch kein grosser Konkurrenzkampf herrsche: «Man geht sich vielleicht etwas aus dem Weg. Aber das kann noch werden, denn die meisten kleineren Labels sind in den letzten zwei, drei Jahren entstanden». Mit ihrer über zehnjährigen Erfahrung blickt Silke Türck der enger werdenden Nische gelassen entgegen – und macht sich daran, die kommende Sommer-Kollektion zu entwerfen.