Immer mehr Menschen verbringen ihr ganzes Arbeitsleben in mehr oder weniger normierten Bürohäusern. Einheiten mit hunderten von Arbeitsplätzen sind Usus geworden.
Diese Arbeitsform hat lange kaum jemand in Frage gestellt. Denn die Vorteile lagen auf der Hand: Mehr Mitarbeiter auf weniger Raum – das spart Immobilen-Kosten. Die Chefs glaubten auch fest daran, dass Grossraumbüros die Kommunikation markant verbessern würden. Je mehr Leute in einem Raum, desto besser.
Es wird massiv weniger kommuniziert
Doch jetzt melden Arbeitspsychologen wie der ETH-Professor Theo Wehner Zweifel an dieser These an: «Es gibt auch in vielen Grossraumbüros sehr viele Aufgaben, die keine Interaktion mit dem Kollegen verlangen.» Dies führe dazu, dass sich der Mitarbeiter ein Stück zurückziehe. «Ich muss mir Kopfhörer aufsetzen, ich muss mich abschirmen, damit ich meine Aufgabe auch adäquat lösen kann.»
Die renommierte Harvard-Universität im amerikanischen Boston hat jetzt das Kommunikations-Verhalten in Grossraumbüros untersucht. Für die grossangelegte Studie trugen die Probanden einen Sensor um den Hals, der registrierte, wie lange sie mit Kollegen kommunizierten. Das Resultat bestätigte die Befürchtungen der Psychologen. In Grossraumbüros sinkt die Kommunikation unter Kollegen demnach um unglaubliche 70 Prozent.
Versuch neuer Arbeitsformen
Nicht nur in den USA kämpfen Grossraumbüros um ihren Ruf. Das Umdenken hat begonnen – auch hierzulande. So hat die Schokoladenfabrik Camille Bloch im ländlichen Kanton Jura ein neues Verwaltungsgebäude gebaut, ganz ohne Grossraumbüros. Jeder Mitarbeiter hat wieder seinen persönlichen Arbeitsplatz.
Der Patron ist überzeugt, dass Mitarbeiter, die sich wohl fühlen, kreativer und produktiver sind. Es gehe dabei nicht um die Quantität des Kontaktes, so Geschäftsführer Daniel Bloch. «Je mehr Leute zusammenkommen, desto weniger kann man sich austauschen und desto einsamer fühlt man sich am Schluss.»
Einer der ersten Arbeitgeber, der neue Arbeitsformen in die Schweiz gebracht hat, war der Internetkonzern Google. Die traditionellen Grossraumstrukturen hat man durch weitere Raumangebote ergänzt. So gibt es bequeme Sofas oder Räume, die sich für die Gruppenarbeit eignen.
Für Arbeitspsychologe Wehner ein sinnvoller Ansatz. Denn: Das ideale Grossraumbüro gebe es zwar nicht, es gebe jedoch eine ideale Bürolandschaft. Diese könne durchaus ein Grossraumbüro haben. «Es braucht aber zusätzliche Räume, in die ich mich zurückziehen kann, je nachdem, welche Aufgaben ich zu erfüllen habe», sagt Wehner.
Vielfältige Arbeitsformen
Die SBB hat für ihren neuen Hauptsitz im Berner Vorort Wankdorf ein solches Konzept konsequent umgesetzt. Für Besprechungen oder Teamarbeiten stehen gemütliche Separees zur Verfügung. Die Mitarbeiter suchen sich die Arbeitsumgebung, die am ehesten ihren Aufgaben gerecht wird.
Hinter der Idee steht Planer Stefan Holzinger. «Dank neuen Arbeitsmitteln sind wir flexibler unterwegs. Die Arbeitsumgebung muss diese Bedürfnisse abdecken können.»
Neben den klassischen ergonomischen Arbeitsplätzen gibt es denn auch zahlreiche Alternativen. Wer nur kurz etwas erledigen will, kann sich mit dem Laptop an einen der grossen Tische setzen. Für Mitarbeiter, die sich konzentrieren müssen, gibt es eine Ruhezone. Hier haben die Architekten alles unternommen, um den Lärm zu reduzieren.
Es wird klar: Nach jahrzehntelanger Vorherrschaft des Grossraumbüros haben sich die Zeiten geändert.