Lange galt das Geschäft mit Akkus in Europa als unattraktiv: Ähnlich wie bei Medikamenten geht man auch bei der Entwicklung von wiederaufladbaren Batterien ein hohes finanzielles Risiko mit ungewissem Ausgang ein. Auch die Fertigung der Speicher ist komplex. Dazu kommt ausserdem, dass die Margen auf Akkus tief sind.
Das alles hat dazu geführt, dass die europäische Industrie in den letzten Jahrzehnten auf eigene Entwicklung und Produktion von aufladbaren Speichern verzichtet hat. Während Jahren sprangen vor allem asiatische Firmen wie Panasonic, LG oder Samsung in die Bresche.
Akkus: Die neue Abhängigkeit
Das rächt sich nun, denn im Zuge der Energiewende nehmen Akkus eine zentrale Rolle ein – zum Beispiel bei der Elektromobilität. In diesen Tagen zeigen europäische Firmen an der internationalen Automobil-Ausstellung in Frankfurt ihre neusten Modelle, darunter sind auch Elektromobile namhafter europäischer Hersteller wie VW oder Porsche.
Europäische Autohersteller fürchten nun, dass gewisse asiatische Akku-Lieferanten das Potenzial haben, selber ins Geschäft mit Elektrofahrzeugen einzusteigen – und somit das Interesse verlieren, ihren Konkurrenten in Europa die begehrten Speicher zu liefern.
Firmen wie LG oder Samsung sind nicht bloss Batteriefabriken. Es sind Grosskonzerne, die auch Elektromotoren und elektronische Steuerungen entwickeln und produzieren können. «Alles, was es dann noch braucht, sind ein Gestell, vier Räder und ein Steuerrad – dann hat man ein Elektrofahrzeug», sagt Corsin Battaglia, der die Abteilung «Materials for Energie Conversion» an der EMPA in Dürbendorf leitet und selber an Akkus forscht. Samsung etwa habe selber schon Elektrofahrzeuge auf den Markt gebracht.
Doch die europäische Kommission habe den Ernst der Lage erkannt und gehandelt, meint Battaglia: Ziel sei es, in Europa wieder Akku-Fabriken aufzubauen und die Forschung in neue Speichertechnologien voranzutreiben.
Auch die Autoindustrie ist aktiv. VW und BMW etwa investieren zusammen mit der schwedischen Firma Northvolt in zwei Giga-Factories, gigantische Batterienfabriken in Schweden und im deutschen Salzgitter. Jede dieser Anlagen kann pro Jahr Akkus für 200'000 Elektrofahrzeuge herstellen.
Anspruchsvolle Chemie
Doch warum ist die Entwicklung aufladbarer Batterien so schwierig? Ein Grund sind die Ansprüche an die Speicher: Ein Akku soll leicht sein, langlebig, sicher, umweltverträglich, günstig – und natürlich soll er möglichst viel Strom speichern und auch schnell wieder abgeben können.
Einige dieser Eigenschaften stünden im Widerspruch, erklärt Corsin Battaglia: «Eine Batterie mit hoher Leistung kann nicht gleichzeitig auch noch viel Energie speichern. » Hier gelte es, den richtigen Kompromiss zu finden.
Die Entwicklung neuer Akku-Konzepte wird auch erschwert, weil plötzlich unerwartete Nebenwirkungen auftreten können – etwa, wenn ein Prototyp nach 100 Ladezyklen plötzlich massiv an Kapazität verliert.
Atome bewegen
Bevor Corsin Battaglia an der Entwicklung neuer Akkus forschte, beschäftigte er sich mit Halbleiter und Solarmodulen. Im Unterschied zu den Solarpanels habe man es bei den wiederaufladbaren Batterien nicht nur mit extrem leichten Elektronen zu tun, sondern auch mit den viel schwereren Lithium-Ionen – eine weitere Herausforderung bei der Entwicklung.
Gibt ein Akku Strom ab, so wandern durch einen Draht Elektronen von einem Pol zum anderen Pol, gleichzeitig bewegen sich im Inneren der Batterie auch Lithium-Ionen von Pol zu Pol. Indem man die Batterie auflädt, kehrt man den Prozess um und schiebt die Lithium-Ionen wieder zurück zur Ausgangsposition.
Da Lithium 14'000 mal schwerer sind als Elektronen, ist es sehr anspruchsvoll, diesen Prozess jedes Mal sauber durchzuführen. Bleibe bei jedem Ladezyklus bloss ein Prozent der Lithium-Ionen zurück, so sei der Akku innert kürzester Zeit nicht mehr brauchbar, weil er seine gesamte Kapazität verliert, so Corsin Battaglia. In einem Smartphone-Akku bleiben nach einem Ladezyklus weniger als 0,005 Prozent der Lithium-Ionen am falschen Pol zurück.
Die hohen Ansprüche an die Eigenschaften einer Batterie und die Abläufe im Inneren machen die Entwicklung neuer Speicher zu einer äusserst anspruchsvollen Forschungsaufgabe. Trotzdem berichten die Medien in regelmässigen Abständen immer wieder von bahnbrechenden neuen Akkus.
Petr Novak, Professor an der ETH in Zürich, dämpft die teils grossen Erwartungen an Akkus, obwohl zurzeit viel Geld in die Entwicklung fliesst: «Dadurch werden hauptsächlich die Kosten schneller gesenkt als vor wenigen Jahren prognostiziert.» Die Speicherkapazität könne kontinuierlich in kleinen Schritten gesteigert werden wie in der Vergangenheit auch. Den grossen Durchbruch hält der Wissenschaftler, der selber seit vielen Jahren an Lithium-Ionen-Akkus forscht, aber für unwahrscheinlich.
Energiewende: Akkus sind nicht die Lösung
Wiederaufladbare Batterien spielen nicht nur bei der Mobilität eine wichtige Rolle, auch als Zwischenspeicher für alternative Energiequellen aus Windkraftwerken oder Photovoltaik werden sie immer wichtiger.
Klar ist jedoch: Akkus eignen sich nicht, um Energie im Sommer einzulagern und im Winter zu verbrauchen. Das wird offensichtlich, wenn man sich die Jahresproduktion aus den beiden geplanten europäischen Batteriefabriken anschaut: Beide Fabriken sollen dereinst pro Jahr Akkus für 400'000 Fahrzeuge produzieren, die zusammengenommen 32 Gigawatt Stunden Strom speichern können. Damit könnte man die Schweiz rund fünf Stunden lang mit Strom versorgen. Von einem saisonalen Speicher mit Akkus ist man also weit entfernt.
«Batterien sind nicht die Lösung», bestätigt auch Corsin Battaglia. Geforscht werde deshalb an anderen chemischen Prozessen mit denen man im Sommer mit überschüssigem Strom einen Brennstoff produziert, der sich lagern und transportieren lässt und der dann im Winter wieder zur Verfügung steht, um Strom zu erzeugen – CO2 neutral, versteht sich.