Heute liefern Solaranlagen der Schweiz rund 4 Prozent des Schweizer Stroms. 2050 sollen es mehr als 50 Prozent sein.
So stellt sich das zumindest Noah Heynen vor. Der Mitgründer und Co-Geschäftsführer des grössten Schweizer Solarunternehmens Helion mischt sich in die Debatte um die Energiezukunft der Schweiz ein.
Er sagt: «In der Vergangenheit haben Energiewirtschaft und Politik ihre Vision von der Energiezukunft der Schweiz positioniert. Es haben eigentlich alle etwas gemeinsam: dass die Fotovoltaik ein zentraler Bestandteil davon ist. Und die einzigen, die eigentlich noch nie etwas dazu gesagt haben, sind die Vertreter der Fotovoltaik-Branche.»
Sein Vorschlag überrascht für ein Solar-Unternehmen wenig: möglichst viel Fotovoltaik zu bauen. Dies sei ganz ohne Solarparks in den Alpen möglich. Das Szenario von Helion sieht wie folgt aus:
- Ein Drittel aller Häuser, Fassaden, Parkhäuser, Autobahnbrüstungen usw. mit Fotovoltaik-Anlagen ausstatten. So reicht der Strom auch im Winter, wenn weniger Sonne scheint.
- Die überschüssige Energie, die im Sommer entsteht, in Methan und Wasserstoff umwandeln. Industrie und Flugindustrie hätten daran künftig grosses Interesse. Auch könnten bei Bedarf Wärme-Kraft-Kopplungsanlagen (WKK) mit der überschüssigen Energie betrieben werden.
- Elektroautos als Speicher nutzen. Die Autoindustrie bietet zunehmend Elektroautos an, deren Batterie nicht nur Energie laden, sondern auch abgeben kann. Nissan, Mitsubishi, Kia und Hyundai haben solche Fahrzeuge bereits im Angebot. Volkswagen hat im Dezember angekündigt, dass die Technologie kurz vor Markteinführung stünde.
Laut Kalkulation von VW und Helion könnten Elektroautos einst eine Speicherkapazität der heutigen Leistung aller Kernkraftwerke in der Schweiz zusammen bereitstellen.
Wie ist dieses Modell zu bewerten? «Ich denke, das ist ein realistisches Szenario», sagt Rolf Wüstenhagen. Er ist Professor für das Management erneuerbarer Energien an der Universität St. Gallen.
«Es ist ambitioniert, aber wir sprechen von einem Szenario in 30 Jahren. Wenn wir uns überlegen, was in anderen Bereichen in den letzten 30 Jahren abgelaufen ist: 1992 habe ich noch kein E-Mail geschrieben, ich hatte noch kein Mobiltelefon. Das hat sich rasant verbreitet. Ich glaube, wir werden bei der Solarenergie ein ähnlich dynamisches Wachstum erleben.»
Auch Energie-Spezialist Patrick Dümmler von der liberalen Denkfabrik Avenir Suisse sagt: «Es ist vermutlich technisch gesehen etwas, das man erreichen könnte.»
Er gibt aber zu bedenken: «Ist das dort, wo man das Geld investieren will? Oder gibt es andere Technologien, die einem einen grösseren Ertrag von Energie liefern und insbesondere zur Versorgungssicherheit beitragen?» Fotovoltaik-Anlagen lieferten im Durchschnitt 10 bis 15 Prozent dessen, was an Kapazität bereitgestellt würde.
Teure Insellösung?
Er ist ohnehin dagegen, dass die Schweiz versuche, für sich allein eine Lösung zu finden. Sie solle sich lieber wieder der EU zuwenden hinsichtlich eines Stromabkommens.
«In einem Stromverbund macht es sehr viel mehr Sinn. In der Schweiz könnten Kraftwerke ausfallen, aber dafür Kraftwerke im Ausland zur Verfügung stehen und einspringen, um die Netzstabilität zu garantieren. Wenn wir das alles als Insel lösen, können wir das auch, aber zu unverhältnismässig hohen Kosten.»
Noah Heynen von Helion sieht den finanziellen Kritikpunkt nicht. «Fotovoltaik ist mit Abstand weltweit und in der Schweiz heute die günstigste Art und Weise, wie man Energie produzieren kann.»
Zum Aufbau der Fotovoltaik schlägt er vor, dass sich der Netzzuschlagsfonds müsste verschulden können. Auf längere Sicht rechnet Noah Heynen damit, dass der Netzzuschlag von 2.3 Rappen pro Kilowattstunde auf 3 Rappen steigen solle.
Rolf Wüstenhagen von der Universität St. Gallen rechnet mit 30 Franken Mehrkosten pro Haushalt pro Jahr. Das findet er vertretbar: «Es geht um den Aufbau einer zukunftsfähigen Infrastruktur, ähnlich wie bei der Wasserkraft im letzten Jahrhundert. Das sind natürlich Anfangskosten, die da geschultert werden müssen. Sie kommen aber den nachkommenden Generationen zugute.»
Günstigerer Strom als Anreiz
Bleibt die Frage, wie Noah Heynen so viele Bürgerinnen und Bürger dazu bringen will, sich Solaranlagen auf dem Dach zu installieren.
Er glaubt, dass die Anreize bereits in die richtige Richtung gehen. «Es kommen auch immer mehr Miete- und Finanzierungs-Angebote auf den Markt. Somit ist keine grosse Investition vom Besitzer mehr nötig und er profitiert ab Tag eins vom ‹günstigerem Strom›.»
Die Zukunft der Schweizer Energieversorgung liegt in der Sonne. Daran hat er keinerlei Zweifel. Und geschäftliches Interesse, das versteht sich von selbst.