- Die Tessiner Staatsanwaltschaft eröffnet eine Untersuchung gegen drei Schweizer Tochtergesellschaften des Internetreisebüros lastminute.com mit Sitz in Chiasso.
- Am Dienstag wurden die Geschäftsräume der Unternehmen durchsucht. Die Polizei hat sieben Personen festgenommen.
- Laut Angaben von Lastminute geht es dabei um Betrugsverdacht. Das Unternehmen gibt sich in der Mitteilung zuversichtlich, dass kein «Fehlverhalten» vorliege.
Gemäss den Angaben der LM Group (Lastminute) geht es unter anderem um staatliche Zuschüsse in der Höhe von 28 Millionen Franken, die die drei Tochtergesellschaften in der Coronazeit für ihre rund 500 Mitarbeitenden bezogen haben sollen. Diese mutmassliche Deliktsumme ist zweifelsfrei hoch. Grundsätzlich hat das von der Coronakrise besonders stark getroffene Tessin im Vergleich zu seiner Grösse und Wirtschaftskraft sehr hohe staatliche Zuschüsse erhalten.
Schweizweit hat die Arbeitslosenversicherung (ALV) bisher insgesamt Corona-bedingte Kurzarbeitsentschädigungen in der Höhe von 15.2 Milliarden Franken ausbezahlt. Schliesslich sollten die Unternehmen schnell und unbürokratisch Hilfe erhalten. Dass durch diese schnelle Hilfe in Form einfacher Anmeldeverfahren auch Betrug einfacher wird, hat die Tessiner Staatsanwaltschaft früh festgestellt und auch kritisiert.
Seco verstärkt die Kontrollen
Die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) zeigte sich gegenüber SRF bereits Ende Mai «schockiert» über die lasche Prüfpraxis des Bundes. Kurz darauf gab das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) bekannt, dass die Kapazitäten massiv aufgestockt würden, um die Missbrauchsfälle aufdecken und ahnden zu können.
So sagte Boris Zürcher, Leiter der Direktion für Arbeit beim Seco, damals: «Wir haben uns extern verstärkt und zusätzlich 40 Personen rekrutiert, die jetzt ebenfalls Arbeitgeberkontrollen durchführen werden, die Missbrauchsmeldungen nachgehen. Für uns ist absolut zentral, dass diese Missbrauchsbekämpfung gut vonstattengeht.»
1200 Meldungen, 39 Anzeigen
Bis im Juni sind beim Seco rund 1200 Missbrauchsmeldungen wegen Covid-Kurzarbeitsentschädigungen eingegangen. Viele dieser Meldungen gingen anonym über die Whistleblowing-Plattform ein, grösstenteils von Privatpersonen. In 39 Fällen haben die Mitarbeitenden des Bundes Missbrauch festgestellt und eine Strafanzeige eingereicht.
Der Fall des Onlinereisebüros in Chiasso ist einer dieser 39 Fälle. Jetzt ermittelt die Tessiner Staatsanwaltschaft. Für das betroffene Unternehmen gilt die Unschuldsvermutung. In Chiasso wird man den Ausgang dieser Ermittlungen auf jeden Fall mit Spannung und ein wenig mit Sorge beobachten. Denn die Grenzstadt kämpft seit dem Einbrechen des Bankenplatzes Tessin um den Zuzug neuer Firmen.