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EZB erhöht Negativzinsen Draghi geht aufs Ganze

Nicht ganz unerwartet, dreht Mario Draghi, Chef der Europäischen Zentralbank, den Geldhahn kräftig auf. Für viele Milliarden will er Wertpapiere am Markt kaufen. Das Geld, das dadurch ins Finanzsystem strömt, soll neuen Schwung in die Wirtschaft bringen.

Doch dabei lässt es Draghi nicht bewenden: Um sicher zu gehen, dass die Banken die zusätzlichen Euros für Kredite verwenden, verschärft er seine Negativzins-Politik. Konkret müssen die Banken künftig einen noch höheren Zins zahlen, wenn sie Geld bei der EZB deponieren. Das Geldhorten der Banken wird also bestraft.

Wirtschaftlich wirkt das neue Massnahmenbündel der EZB allerdings nur, wenn eine wichtige Voraussetzung erfüllt ist: Das viele billige Geld muss am Ende bei den Konsumentinnen und Konsumenten ankommen. Sie müssen es tatsächlich auch ausgeben. Sonst ist Mario Draghis extrem lockerere Geldpolitik verlorene Liebesmüh.

Achtung Nebenwirkungen

Schlimmer noch: Wenn die Menschen in Euroland nicht mitmachen und sich beim Konsumieren zurückhalten, dann könnten die negativen Nebenwirkungen der Geldpolitik den vermeintlichen Nutzen überwiegen. Dieses Risiko besteht. Eine wachsende Zahl von Ökonomen macht sich deswegen zunehmend ernste Sorgen.

Schon heute klagen viele Bürgerinnen und Bürger darüber, dass sie auf ihrem Ersparten kaum noch – oder gar keinen – Zins mehr bekommen von ihrer Bank. Auch Profi-Investoren wie die Pensionskassen leiden unter den dauerhaft tiefen Zinsen. Sie haben grösste Mühe, genug Rendite zu erzielen auf den Vorsorgegeldern der Bevölkerung. Das sind negative Nebenwirkungen der Geldpolitik, die den Menschen auf der Strasse – und der Wirtschaft als Ganzes – tendenziell schaden.

Macht der Notenbanken ist begrenzt

Das schürt Verunsicherung. Und diese könnte dazu führen, dass die Politik des billigen Geldes der EZB – und anderer grosser Notenbanken – sich ins Gegenteil dessen verkehrt, was damit beabsichtigt wird.

Schlimmstenfalls müssten sich dann die Währungshüter der EZB eingestehen, dass sie mit ihrem Latein am Ende sind und die europäische Wirtschaft mit ihrer lockeren Geldpolitik nicht vor einem Abschwung bewahren können.

Jan Baumann

Wirtschaftsredaktor, SRF

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Jan Baumann ist seit 2013 Wirtschaftsredaktor bei SRF. Davor arbeitete er während rund zehn Jahren als Redaktor für die Zeitung «Finanz und Wirtschaft», unter anderem als USA-Korrespondent.

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