Ein neues Gesetz in Deutschland soll einen Beitrag leisten, weltweit Zwangsarbeit, Kinderarbeit oder Umweltverschmutzung zu verhindern. Es heisst: Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz. Deutschland leiste damit Pionierarbeit, sagen die Befürworter. Das neue Gesetz bereite den Weg hin zu einer gerechteren Globalisierung. Die Kritiker entgegnen: Das Gesetz sei ein Bürokratiemonster. Es schade dem Wirtschaftsstandort.
Unternehmen müssen nun garantieren, dass ihre direkten Zulieferer Zwangs- oder Kinderarbeit verhindern, für Sicherheit am Arbeitsplatz sorgen oder die Umwelt nicht schädigen. Auf diese Weise sollen beispielsweise die Arbeitsbedingungen für eine Textilarbeiterin in Bangladesch verbessert werden.
Wer sich nicht an die neuen Regeln hält, müsse mit harten Konsequenzen rechnen, sagt Sven Siepen, Industrie-Experte bei der Unternehmensberatung Roland Berger. «Wenn es zu einer Verfehlung kommt, dann müssen Gegenmassnahmen eingeleitet werden. Wenn sie nicht ausreichen, sind signifikante Geldstrafen und Gerichtsverfahren vorgesehen.»
Den fehlbaren Unternehmen drohen happige Bussen von bis zu zwei Prozent des Jahresumsatzes. Zudem können sie für bis zu drei Jahre von öffentlichen Ausschreibungen ausgeschlossen werden. Deutsche Unternehmen müssen deshalb genau hinschauen, von wem sie was beziehen. Zum Beispiel der Auto-Konzern, der bei einem Schweizer Zulieferer ein Aluminiumprofil bezieht.
«Aluminiumprofile bestehen aus Aluminiumbauxit. Sie kommen aus einer Mine, vielleicht aus Afrika. Dieses Unternehmen muss den Nachweis erbringen, wo das Rohmaterial herkommt. Sie werden diese Nachweispflicht an ihre Lieferanten weitergeben, die nur dort einkaufen, wo diese Nachweispflicht testiert werden kann», so Siepen.
Für Schweizer Unternehmen nichts Neues
Eine wichtiges Zulieferunternehmen für die deutsche Autoindustrie ist die Winterthurer Autoneum. Es ist eine von vielen Schweizer Firmen, für die die neuen Vorschriften nun gelten. Autoneum bestätigt auf Anfrage, man sei von deutschen Kunden in Sachen Menschenrechte und Arbeitsbedingungen, Gesundheit und Sicherheit, Geschäftsethik, Umwelt und verantwortungsvolles Lieferanten-Management durchleuchtet worden. Das sei aber kein Neuland. Diese Themen habe man heute schon im Blick, auch bei den eigenen Lieferanten.
Schweizer Unternehmen seien vertraut mit solchen Fragen, bestätigt Industrieexperte Siepen: «Die Thematik der Achtung der Menschenrechte und der fairen Behandlung ist in der Schweiz nicht nur von Gesetzes wegen relevant ist, sondern wurde auch sehr stark durch die Konsumenten immer eingefordert.» Dafür nähmen Unternehmen sogar höhere Produktionskosten in Kauf, verglichen mit Unternehmen in anderen Weltregionen.
Was bringt das Gesetz?
Bleibt die Frage, ob das neue Sorgfaltspflichtengesetz tatsächlich zu besseren Arbeitsbedingungen führt. Siepen sagt: Ja. Obschon er skeptisch sei – etwa mit Blick auf die Messbarkeit von Fortschritten. «Wie man das misst, ist nicht definiert. Damit wissen wir nicht, ob wir einen bürokratischen Apparat erzeugt haben oder ob wir wirklich etwas verändert haben, vor Ort.»
Deutsche Unternehmen und deren Zulieferer – auch aus der Schweiz – stehen nun in der Pflicht im Kampf um weltweit bessere Arbeitsbedingungen. Weitere, ähnliche Bestrebungen auf EU-Ebene sind absehbar.