- HbbTV soll das Fernsehen mit dem Internet verschmelzen. Langfristig soll HbbTV den Teletext ablösen und neue Angebote bieten.
- Doch eine Studie zeigt: Fünf Jahre nach dem Start kennen erst 9 Prozent der Befragten HbbTV.
- Im Geschäft mit dem Fernsehen sind die Rollen heute nicht mehr klar getrennt: Wer früher nur Signale verbreitete, bietet heute auch selber Inhalte an und sieht das Publikum nicht gerne zu anderen Plattformen wie HbbTV weiterziehen.
- Weil HbbTV auch Live-Streams zeigen kann, könnte es für die Fernsehsender der SRG als zusätzlicher Kanal in Zukunft noch wichtiger werden.
Die jüngst erschienene Digitmonitor-Studie zur Mediennutzung zeigt die Schweizer als treue TV-Konsumenten: 62 Prozent der Befragten nutzen den Fernseher täglich, mehr als 80 Prozent wöchentlich. Auch der in die Jahre gekommene Teletext ist mit 12 Prozent täglichen und mit über 20 Prozent wöchentlichen Nutzern immer noch beliebt.
Das Schlusslicht bilden einsame fünf Buchstaben: HbbTV. Zu diesem Medium gibt es keine Angaben zur täglichen oder wöchentlichen Nutzung, nicht einmal zum weitesten Nutzerkreis. Nur 9 Prozent der Befragten geben an, überhaupt schon einmal von HbbTV gehört zu haben. Fünf Jahre, nachdem das Angebot in der Schweiz gestartet wurde, ist das keine besonders gute Zahl.
«HbbTV ist eine Zukunftstechnologie, das zeigen die aktuellen Entwicklungen im Markt. Fast alle grossen deutschsprachigen Sender haben ein entsprechendes Angebot und bauen dieses aus», sagt Martin Spycher, der bei der SRG für das Projekt HbbTV verantwortlich ist. Die Nutzerzahlen entwickelten sich sehr gut und stiegen nachhaltig – genaue Zahlen gibt die SRG nicht bekannt.
HbbTV ist eine Zukunftstechnologie. Fast alle grossen deutschsprachigen Sender haben ein entsprechendes Angebot und bauen dieses aus.
Viele Dienste, die das TV-Programm ergänzen, seien nur mit HbbTV möglich, führt Spycher weiter aus. Zum Beispiel Livestreams, für die im normalen Programm kein Platz ist. Dank HbbTV könnten so auch Sportarten wie Curling oder Unihockey gezeigt werden, die es sonst nicht immer ins Programm schaffen.
Spycher erwähnt ausserdem den Zugriff auf die Mediathek eines Senders, um Verpasstes nachzuschauen. Allerdings: Das ist auch ohne HbbTV möglich. Digital-TV-Anbieter wie Swisscom und UPC betreiben eigene Mediatheken. Bei TV-Streaming-Plattformen wie Zattoo oder Teleboy sind Fernsehsendungen dank Replay-Funktionen ebenfalls Tage nach der Ausstrahlung noch zu sehen.
HbbTV ist nur noch eines von vielen Angeboten
Diese Konkurrenz ist ein Problem für HbbTV: «Keiner der Anbieter hat grosses Interesse daran, das Publikum auf die HbbTV-Plattformen der Fernseh-Sender weiterzuleiten», sagt Manuel Puppis, Professor für Mediensysteme und Medienstrukturen an der Universität Freiburg. Auch weil sie dazu zusätzliche Bandbreite zur Verfügung stellen müssten, die dann für eigene Angebote fehlen könnte.
Die Konkurrenz hat kein Interesse daran, das Publikum auf die HbbTV-Plattformen der Fernseh-Sender weiterzuleiten.
Wer per Satellit fernsieht , kann HbbTV nutzen. Auch die meisten Kabelnetzbetreiber liefern das Signal. Ebenso die Swisscom, aber nicht für alle Sender. Bei UPC funktioniert es nur ohne Set-Top-Box und bei Sunrise-TV gar nicht. Insgesamt können heute rund 60 Prozent der Haushalte mit Internetanschluss HbbTV empfangen.
Der harzige Start von HbbTV hat mit dem Wandel im Fernseh-Geschäft zu tun. Früher waren die Rollen klar getrennt: Die Fernseh-Sender lieferten die Inhalte, andere wie die Kabelnetzbetreiber übernahmen deren Verbreitung . Das hat sich in den letzten Jahren geändert. Wer früher nur Signale verbreitete, liefert heute oft auch selber Inhalte und Dienste. Und neue Mitspieler sind dazugekommen, die Geräte, Dienste und auch wieder selber Inhalte anbieten. Neben Smart-TV, Replay-TV, Apple-TV etc. hat es HbbTV deshalb schwer, ein Publikum zu finden.
Eingestellte Kanäle dank HbbTV weiterführen
«Es kann sein, dass HbbTV bloss eine Übergangstechnologie ist – ein Angebot, in das man grosse Hoffnungen gesteckt hat, das aber von der Realität überholt wurde», sagt der Redaktor der «Medienwoche» Nick Lüthi. Er zieht Parallelen zur Übertragungstechnologie DVB-T: So wie das Internet den digitalen Fernseh-Empfang per Antenne überflüssig gemacht habe, sei es für viele Zuschauer auch der einfachere Weg, an Zusatzinformationen zu kommen. Will heissen: Wer mit Smartphone oder Tablet vor dem Fernseher sitzt, der braucht kein HbbTV.
Es kann sein, dass HbbTV bloss eine Übergangstechnologie ist.
Doch gewisse Angebote gebe es nur bei HbbTV, ruft Martin Spycher in Erinnerung. Zum Beispiel Angebote für Sinnesbehinderte: Sie können dank HbbTV Sendungen mit Übersetzung in Gebärdensprache nachschauen oder die Darstellung von Untertiteln für einen Film auf die eigenen Bedürfnisse abstimmen. Und, gibt Spycher zu bedenken, gerade für technisch weniger versierte Zuschauer sei HbbTV oft der einfachste Weg, an zusätzliche Programminhalte zu kommen.
Darum hat HbbTV auch für Manuel Puppis noch Potenzial: «Der Vorteil ist, dass der Zuschauer alle Inhalte direkt im Fernseher bekommt und nicht auf ein anderes Gerät umsteigen muss.» Und weil in HbbTV auch Live-Streams Platz haben, könnte es in Zukunft für die SRG noch wichtiger werden: «Wenn entschieden wird, dass ein Kanal eingestellt wird – zum Beispiel die zweite Senderkette in der italienischen Schweiz – steht dank HbbTV trotzdem noch ein Verbreitungsweg zur Verfügung.»