Urs Hofmann ist derzeit viel am Telefon, klärt ab, organisiert, bestellt, koordiniert. Er ist der Verlagsleiter des Schweizer AT-Verlags, der sich auf Koch- und Sachbücher mit vielen Illustrationen spezialisiert hat. Eigentlich müssten die Druckmaschinen derzeit die Herbst-Titel seines Verlags ausspucken. Das Weihnachtsgeschäft, die umsatzstärkste Zeit des Jahres, steht vor der Tür: «Idealerweise erscheinen diese Bücher in den Monaten September, Oktober. Damit man möglichst viele Wochen vor Weihnachten im Geschäft mitnehmen kann. Dieses Jahr ist es ein wenig anders.»
Wenn wir im Oktober sehen, ein Titel läuft gut, dann ist das Papier erst im Dezember verfügbar.
Der Verlag verwendet je nach Buch spezielles Papier, das er für jedes Projekt eigens bestellt. Der Zellstoff, aus dem Papier gemacht wird, ist einerseits gefragt, zum Beispiel für Verpackungen in Asien, andererseits sind die Lieferketten wegen blockierter Container gestört.
Die Papier-Lieferungen sind deshalb massiv verspätet. «Wenn wir im Oktober sehen, dass ein Titel gut läuft, ist das Papier erst im Dezember verfügbar. Das ist viel zu spät. Das heisst für uns, dass wir bei der Auflagenplanung jetzt mehr produzieren müssen. Was auch bedeutet: Wenn ein Buch nicht so läuft wie erwartet, bleiben wir darauf sitzen.»
Und Urs Hofmann muss mehr Risiken eingehen. Normalerweise kann er auf eine veränderte Nachfrage schnell reagieren. Das geht nun nicht: «Wir sprechen hier teilweise von einer Verdreifachung. Was vorher vier Wochen gedauert hat, geht nun zwölf Wochen. Wir werden viele Bücher erst zu einem späteren Zeitpunkt publizieren können.»
Kein Problem bei der Belletristik
Und einfach die Art des Papiers wechseln, sei auch nicht so einfach: «Das Beispiel einer Druckfolie: Da muss der Drucker jeweils zuerst prüfen, ob die Folie auch hält und uns dann Bescheid geben. Aber bis dahin hat sich die Liefersituation bereits wieder verändert. Das ist alles ein bisschen schwieriger geworden.»
Auch bei Carsten Schwab ist das Papier für Bilderbücher knapp. Er leitet die Herstellungsabteilung beim Verlag Diogenes.
Anders bei der Belletristik, also bei den literarischen Werken von zum Beispiel Martin Suter, Ingrid Noll oder Donna Leon. «Bei der Taschenbuchproduktion und bei den gebundenen Büchern haben wir den grossen Vorteil, dass wir beim Einsatz des Papiers einen hohen Standardisierungsgrad haben und entsprechend hohe Lagervorräte anlegen zu können. Dies ermöglicht es uns, auch im Weihnachtsgeschäft kurzfristig zu produzieren.»
Papier zu beschaffen, ist schwierig – und teuer
«Dies bedeutet auf der einen Seite eine Kostensteigerung, weil tatsächlich der Rohstoff teurer geworden ist. Andererseits müssen wir anders planen.»
Der wachsende Rohstoffbedarf in China wird nicht nächstes Jahr abebben.
Will heissen: Noch besser überlegen, was gedruckt wird – und was nicht. Mit dem jährlichen Bedarf an Papier könnte Schwab mehrere Jumbo-Jets füllen. Und die Mehrkosten für die Beschaffung sind entsprechend hoch. Wenn sie Bücher deshalb teurer verkauften, würde das die Kundschaft derzeit jedoch kaum goutieren.
Wie lange das Papier noch knapp bleibt, darauf wollen sich die beiden Verleger nicht festlegen. Für Carsten Schwab von Diogenes ist aber klar: Vom Gedanken, Bücher nach Bedarf kurzfristig zu produzieren, müssten sie sich wohl verabschieden.
«Der wachsende Rohstoffbedarf in China wird nicht nächstes Jahr abebben. Die Einschränkungen am Markt werden noch eine Weile bestehen bleiben, sodass sich unser Geschäftsmodell ändert. Wir werden langfristiger planen, vielleicht etwas weniger Flexibilität bei der Auswahl der Materialien haben. Da wird des sicherlich Anpassungen geben, die von Dauer sein werden.»
Was das mittelfristig für die Verlagsprogramme bedeutet, ist noch offen.