Tabakkonsum in der Schweiz: Das bedeutet 9500 Tote jedes Jahr und hohe volkswirtschaftliche Kosten. Eine kürzlich publizierte Studie im Auftrag des Bundesamtes für Gesundheit BAG rechnet mit 3.9 Milliarden Franken pro Jahr.
«Einerseits sind das die medizinischen Behandlungskosten, die fast drei Milliarden ausmachen», sagt Michael Anderegg, Projektleiter Tabakproduktegesetz beim Bundesamt für Gesundheit. «Andererseits weitere Kosten von etwas mehr als 800 Millionen im Zusammenhang mit Abwesenheiten am Arbeitsplatz, wenn die Leute krank sind oder weil sie gestorben sind.»
Covid-19: Schlechtere Prognose für Raucher
Die Pandemie verschlimmert die Situation: Eine Studie der Stiftung «Sucht Schweiz» kommt zum Schluss, dass während des ersten Shutdowns vergangenes Jahr «der tägliche Tabakkonsum tendenziell zugenommen hat».
Laut Philippe Luchsinger, Präsident der Haus- und Kinderärzte, zeigten erste Beobachtungsstudien, dass Rauchen die Wahrscheinlichkeit, an Covid-19 zu erkranken, zwar nicht erhöhe. Doch sei die Prognose bei einer Infektion deutlich schlechter: «Grund dafür ist die Beeinträchtigung des Immunsystems durch das Rauchen, die sich auch bei anderen Infekten auswirkt.» Covid-19 finde in Raucherlungen mehr Andockstationen vor als bei Nichtrauchern, sodass bei einem Infekt die Lunge rascher und häufiger in die Krankheit miteinbezogen werde.
Weniger Raucher in Grossbritannien
27 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer rauchen laut dem Schweizerischen Gesundheitsobservatorium. Grossbritannien dagegen hat es gemäss britischem Gesundheitsamt geschafft, den Anteil der Raucherinnen und Raucher auf 14 Prozent zu senken. Laut Martin Dockrell, Leiter Tabak der britischen Gesundheitsbehörde, fusst der Erfolg auf einem umfassenden Plan, den Grossbritannien vor 20 Jahren in Angriff nahm.
Wir haben der Industrie die Möglichkeit genommen, ihre Produkte anzupreisen.
Wichtig seien Gesetze: «Ein komplettes Werbeverbot für Tabakprodukte, also keine Anzeigen in Zeitschriften, keine TV-Werbung, keine Kino-Werbung, keine Plakate. Darauf haben wir aufgebaut.» Wer heute in Grossbritannien einen Tabakladen betrete, sehe keine Zigarettenpäckchen mehr in der Auslage. Und selbst wenn: Sie seien neutral verpackt und mit einem Warnhinweis versehen. «Wir haben der Industrie die Möglichkeit genommen, ihre Produkte anzupreisen. Und – welch Überraschung! – wenn die Tabakindustrie sie nicht anpreist, interessiert sich niemand dafür», so Dockrell weiter.
Von einer solchen Gesetzgebung ist die Schweiz weit entfernt. Seit Jahren ringt das Parlament um ein Tabakproduktegesetz.
Grosse Tabakkonzerne haben Niederlassungen in der Schweiz. Laut einer von Philip Morris in Auftrag gegebenen Studie schafft die Tabakbranche mehr als 10'000 Arbeitsplätze und trägt mit rund sechs Milliarden Franken Umsatz ein Prozent zum Schweizer Bruttoinlandprodukt bei. Entsprechend intensiv ist das Lobbying.
Michael Anderegg, Projektleiter Tabakproduktegesetz BAG: «Wir wissen bereits seit der ersten Vernehmlassung, dass sich die Geister scheiden rund um das Tabakproduktegesetz. Die Vertreterinnen und Vertreter des Gesundheitssektors sind der Meinung, dass wir Tabakprodukte deutlich strenger regeln sollten. Die Vertreterinnen und Vertreter der Tabakbranche hingegen sind der Meinung, dass man mit den Massnahmen nicht zu weit gehen sollte, weil man am Tabak auch noch verdienen will.»
Lasche Gesetzgebung
Swiss Cigarette schreibt, der Zigarettenverband wehre sich nicht gegen umfassende Gesetze. Mitglieder des Verbands sind British American Tobacco Switzerland, Japan Tobacco International und Philip Morris. Werbung für Zigaretten und Alternativprodukte richte sich an erwachsene Raucher: «Sie stellt eine Orientierungshilfe dar und lässt Preise und Leistungen vergleichen. Werbung dient der Information und Aufklärung.»
Tatsache ist: Mit ihrer laschen Gesetzgebung steht die Schweiz weitgehend alleine dar.
Ende Januar wird sich die Kommission für Soziale Sicherheit und Gesundheit des Ständerats erneut mit dem Tabakproduktegesetz befassen. Im März wird es in der Frühlingssession einmal mehr im Parlament debattiert.