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Gastrolöhne in der Kritik Rudi Bindella: «Es gibt Streit unter den Kellnern»

Wirt Michel Péclard zahlt hohe Löhne dank Umsatzbeteiligung. Gastronomie-Konkurrent Rudi Bindella hält nichts davon.

Der Zürcher Gastronom Michel Péclard sorgte diesen Sommer mit einem neuen Lohnmodell für Aufsehen. Einem seiner Kellner bezahlte er 16'500 Franken in einem Monat. Péclard setzt beim Servicepersonal seiner Restaurants auf Umsatzbeteiligung. Der Toplohn sei zwar eine Ausnahme gewesen. Doch seine Angestellten hätten im Sommer monatlich zwischen 8'000 und 12'000 Franken verdient – weit über dem garantierten Mindestlohn von 3'750 Franken für Ungelernte.

Das Modell sei ein Erfolg: «Wenn jemand viel Umsatz macht, verdiene ich auch mehr daran. Wieso soll ich es ihm nicht bezahlen?». Und das Modell habe ein positives Klima erzeugt. «Wir haben keine Krankheitsfälle mehr», sagt Péclard mit leicht ironischem Unterton, «und wir haben motivierte Mitarbeiter.» Man habe die Generation Z dazu gebracht, selbständig zu arbeiten. «Sie sind nicht bei mir angestellt, sondern sind ihre eigene Firma.»

«Nicht gut für den Teamgedanken»

Nun äussert sich Gastro-Unternehmer Rudi Bindella junior zu Péclards Umsatzlohnsystem. Bindella führt das grösste familiengeführte Gastrounternehmen der Schweiz. Er setzt in 45 Lokalen jährlich rund 220 Millionen Franken um.

Es gibt zum Teil Streit unter den Kellnern, in Bezug auf potenziell gute Kunden oder Zonen.
Autor: Rudi Bindella Jr. Geschäftsführer Bindella-Unternehmungen

Man habe im Jahr 2010 einen Versuch mit Umsatzlöhnen gestartet, aber keine guten Erfahrungen damit gemacht. «Es gibt zum Teil Streit unter den Kellnern, in Bezug auf potenziell gute Kunden oder Zonen», so Bindella.

Das sei für den Teamgedanken nicht sehr förderlich gewesen, weshalb man den Versuch wieder abgebrochen habe und nicht vorhabe, wieder Umsatzlöhne einzuführen.

Garantierte Löhne sind Voraussetzung

Casimir Platzer, Präsident des Branchenverbands Gastrosuisse, steht Umsatzbeteiligungen generell offen gegenüber.

«Umsatzlöhne können den Mitarbeitenden einen stärkeren Anreiz geben, Zusatzverkäufe zu generieren.» Doch die Betriebe müssten beachten, dass Mitarbeitende mit Umsatzlohn mindestens auf den monatlichen L-GAV-Mindestlohn kämen. Dieser beträgt 3582 Franken.

Kellner mit Tablett rennt. Das Bild ist verschwommen.
Legende: Haben oft stressige Arbeit mit meist geringem Lohn: Kellner und Kellnerinnen. (Symbolbild) Keystone/SALVATORE DI NOLFI (Archiv)

Ein Lohn von über 16'000 Franken, wie ihn ein Péclard-Mitarbeiter erhalten hat, sei sehr hoch, sagt Platzer. «Der damit verbundene Umsatz kann ein Mitarbeitender allein kaum erreichen, ausser er arbeitet ohne Freitage, was aber nicht gesetzeskonform wäre», kritisiert er.

Péclard verteidigt sich

Dazu sagt Péclards Mitstreiter Florian Weber, Mitinhaber der Pumpstation Gastro Gmbh, der Angestellte mit dem «Rekordlohn» habe im Juni 248 Stunden gearbeitet und damit knapp 60 Überstunden geleistet. Er hätte eigentlich Anspruch auf 8.5 Freitage gehabt, wovon er nur 6.5 bezog. Den Rest habe er jedoch später kompensieren oder sich ausbezahlen lassen können. Man habe sich durchaus gesetzeskonform verhalten.

Michel Péclard sagte gegenüber SRF, er möchte das Umsatzlohnsystem im Winter weiterführen. Den Mindestlohn für das Servicepersonal erhöhe er von 3750 auf 4700 Franken. Man werde diesen Lohn auch dann ausbezahlen, wenn der Umsatz tiefer ausfallen sollte.

Bindellas Weg für mehr Lohngleichheit

Rudi Bindella geht in seinen Betrieben einen anderen Weg. Einerseits werde das Trinkgeld im Team verteilt, so erhalte auch das Küchenpersonal etwas. Dieses System habe sich seit vielen Jahren bewährt. Zudem habe man die Löhne angeglichen: Die Fixlöhne in der Küche seien angehoben und im Service gleich behalten worden.

Oder um es mit einem Gastro-Bonmot zu sagen: «Die Freundschaft zwischen Kellner und Koch, merkt der Gast am Ende eben doch!»

Das Bindella-Unternehmen

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Alles beginnt 1909 mit einer Weinhandlung in Zürich. Jean Bindella importiert Chianti aus der Toscana – ausgeliefert per Pferd.

In den 1940er-Jahren übernimmt Sohn Rudolf die Geschäfte. Die Familie eröffnet Restaurants, investiert in den Weinbau und übernimmt Handwerksbetriebe.

1975 folgt mit Rudi Bindella die nächste Generation. Er setzt ganz auf die Italianità und baut die Restaurants der Gruppe um. Unter ihm wird Bindella zur Marke mit heute 45 Gastrobetrieben in allen Preisklassen: von den Santa-Lucia-Lokalen über das noble Restaurant Terrasse in Zürich oder das Chez Donati in Basel bis zum Kornhauskeller in Bern.

1450 Mitarbeitende hat die Bindella-Gruppe heute. Sie setzt jährlich 220 Millionen Franken um. Eine Marktmacht mit viel Kapital und Immobilien an bester Lage.

Heute ist Bindella das grösste familiengeführte Gastro-Unternehmen der Schweiz.

ECO Talk, 30.10.2023, 22.25 Uhr

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