Vor einem Jahr wusste er noch nicht, dass er in China Geschäfte machen würde. Inzwischen hat der Mitgründer von Holo One, Dominik Trost, einen Firmensitz in Chongqing in Zentralchina. So schnell kann es gehen in China.
Denn Schweizer Unternehmen sind in der zweitgrössten Volkswirtschaft der Welt sehr gefragt. Sie geniessen einen privilegierten Status – und zwar gleichgültig ob Technologie-Start-up, Lebensmittelbetrieb oder Industrieunternehmen.
Schweizer Firmen stehen für Qualität und Zuverlässigkeit, geniessen grosses Vertrauen bei chinesischen Kunden und Konsumenten. Entsprechend gross sind die Chancen.
Hunger nach neuen Technologien
Selbst kleinere Start-ups profitieren von den guten Beziehungen zwischen den beiden Ländern. So etwa Start-up-Gründer Dominik Trost und sein chinesischer Geschäftsführer Jeffrey Li.
Sie dürfen ihre Software für erweiterte Realität einem Megakonzern vorstellen. SAIC Motor ist ein Autohersteller mit einem Umsatz von über 130 Milliarden US-Dollar im Jahr. Er gehört laut Forbes zu den 100 weltgrössten Unternehmen.
Um Abläufe zu vereinfachen, möchte die SAIC-Designabteilung vom klassischen Modellbau auf neuste Technologie umsteigen. Und das Schweizer Start-up Holo One bietet genau eine solche Lösung an.
«Das wäre eine Riesensache. Es ist eine internationale Firma, die Millionen Autos produziert. Die haben einen Anwendungsbereich, der für unsere Lösung entsprechend gross wäre», sagt Dominik Trost, Co-Gründer Holo One, zu «ECO».
Chinesen sind neuen Technologien gegenüber positiv eingestellt. Für Start-ups wie Holo One ideale Voraussetzungen. «In China gibt es grosse Unterstützung seitens der Regierung, um solche Technologien zu fördern. China ist für Holo One nicht nur positiv wegen der Marktgrösse, sondern vor allem auch wegen dieser Unterstützung», sagt Jeffrey Li, Geschäftsleiter Holo One China.
Enge Beziehungen zwischen Schweiz und China
Das Interesse Chinas an Schweizer Firmen hat historische Gründe. Die Schweiz hat die Volksrepublik vor 70 Jahren als eines der ersten Länder der Welt anerkannt.
China habe ein sehr langfristiges Denken, sagt SECO-Direktorin Marie-Gabrielle Ineichen-Fleisch. Sie studierte Anfang der achtziger Jahre in Peking. «Die Tatsache, dass wir sie als einer der ersten Staaten anerkannt haben, damit beginnt jedes Gespräch. Wenn man sich nicht kennt, steht dies immer am Anfang.»
Dass sie Chinesisch spricht und die Kultur kennt, habe Marie-Gabrielle Ineichen-Fleisch auch bei den Verhandlungen etwa über das Freihandelsabkommen sehr geholfen.
Chinas guter Wille gegenüber der Schweiz fusst aber auch auf knallharter Industriepolitik.
Markus Herrmann Chen, der mit seiner Beratungsfirma Sinolytics Grossunternehmen und Regierungen berät, hält denn auch fest: «Man darf nicht der Vorstellung erliegen, wir seien in einem Markt nach unserem Verständnis.» Immer spiele auch der wirtschaftspolitische Aspekt eine grosse Rolle.
«Das sehen wir bei Firmen, welche mit einem spezifischen Produkt auf dem chinesischen Markt sind und herausfinden, dass es für dieses Produkt einen industriepolitischen Plan gibt».
In China bestimmt der Staat alles, und für nahezu alles gibt es einen Plan. Diese Pläne sollte man kennen, bevor man eine Expansion nach China ins Auge fasst.
Vertrauen in Schweizer Lebensmittel
Es muss nicht immer Software sein, um in China Erfolg zu haben. Landwirt Martin Hübscher ist einer von 4300 Milchbauern der Genossenschaft Mooh und deren Präsident.
Täglich transportiert die Genossenschaft rund 1,5 Mio. Kilogramm Milch zu ihren Kunden. Und diese sitzen seit sieben Jahren auch in China.
«Erstens ist China ein starker Wachstumsmarkt im Milchbereich, sie sind Nettoimporteure», sagt Martin Hübscher. «Zweitens sehen wir, dass China sehr viel Wert legt auf hohe Qualitätsstandard. Dass es eine wachsende Mittelschicht gibt, welche bereit ist, für ihre Kinder nur die besten Lebensmittel zu kaufen.»
Zu Beginn stellte die Genossenschaft einen chinesischen Verkäufer ein. Doch das Geschäft kam nicht in Gang. Auch eigene Verkaufsläden in Shoppingmalls führten nicht zum Erfolg. Das sei eine bittere Erfahrung gewesen.
Doch nun setze Mooh auf die Online-Vermarktung: «Wir sind auf den zwei grössten chinesischen Plattformen vertreten. Wir haben gemerkt, dass der chinesische Konsument sich sehr viel nach Hause liefern lässt. Das ist ein sehr viel grösserer Anteil als bei uns. Daran wollen wir teilhaben», so Martin Hübscher zu «ECO».
Die Hartnäckigkeit der Genossenschaft hat sich gelohnt. Seit drei Jahren exportiert sie erfolgreich Käse nach China.
Kultur-Unterschiede überwinden
Acht Jahre – so lange hat es gedauert, bis die Appenzeller und die chinesische Kultur im Takt schlugen.
«Wir in der Schweiz haben ein sehr strukturiertes Vorgehen. Wir haben innovationsgetriebene Ansätze und übernehmen Verantwortung für Entscheidungen, die wir fällen. Das war in China weniger zu spüren», erinnert sich Manuel Inauen.
Der stellvertretende Geschäftsleiter von KUK Electronic – Hersteller von Kupferspulen – reist regelmässig vom Hauptsitz in Appenzell nach China.
Inzwischen gilt das Werk in Shanghai mit seinen 200 Mitarbeitern als eines der qualitativ besten der KUK-Gruppe. Ob Schalter für Kaffeemaschinen oder automatische Türöffner – für ein magnetisches Feld braucht es eine Spule.
Das Werk in Shanghai konzentriert sich auf die ganz kleinen Spulen. Diese kommen in der Medizin zur Anwendung. Ein Geschäftsbereich, der zweistellig wächst. «Technologisch ist China unheimlich interessant für uns», so Inauen weiter.
In China geht es für ausländische Firmen längst nicht mehr darum, günstig für den Weltmarkt zu produzieren. Wer im Geschäft bleiben will, muss für chinesische Unternehmen zuliefern können.
Wir haben ein unglaublich gutes Angebot vom chinesischen Staat bekommen.
Bald eröffnet KUK ein zweites Werk in China. Komplizierte Verfahren, steigende Lohnkosten, teilweise bis zu sechs Prozent pro Jahr, starke Kontrolle seitens der Regierung – das sind laut Inauen einige der Risiken in China.
Aber: Der chinesische Staat unterstütze auch. «Wir haben ein unglaublich gutes Angebot vom chinesischen Staat bekommen.» Dazu gehören Vergünstigungen, etwa bei den Steuern oder beim Landkauf.
Die drei Beispiele zeigen: In China ist ein Markt vorhanden für die unterschiedlichsten Produkte aus der Schweiz. Sie zeigen aber auch: Wer den chinesischen Markt erobern will, braucht Geduld. Und muss lern- und anpassungsfähig sein.