Sergey Leontyev ist Gründer der Probusinessbank-Gruppe in Russland und ein Unterstützer von Oppositionspolitiker Alexey Nawalny.
2012 entwickelte die Probusinessbank-Gruppe, die zu den besten Zeiten landesweit 700 Filialen und über 13000 Angestellte hatte, ein besonderes Projekt: Die Nawalny-Karte – eine Kreditkarte. Von jeder Transaktion sollte ein Prozent an Alexei Nawalnys Organisation gehen, sagt deren Geschäftsführer zu «ECO».
Plötzlich enteignet
Das Projekt missfiel dem Kreml, die Banken-Gruppe kam unter Druck, die Nawalny-Karte wurde nie realisiert.
Dennoch verfolgen die russischen Behörden Sergey Leontyev juristisch auf der ganzen Welt – unter anderem in Liechtenstein, wo er einen Teil seines Vermögens hat.
Rechtsanwalt Siegbert Lampert vertritt den Banker: «Die Behörden haben erst probiert, ihn und andere Inhaber der Probusinessbank zu bewegen, massgebliche Beteiligungen abzutreten.» Nachdem sich die Inhaber geweigert hatten, wurden sie enteignet. Die Bank wurde geschlossen.
Seither ermittelt die russische Justiz gegen Leontyev und seine Mitstreiter wegen angeblicher Veruntreuung.
Aktive Schweizer Behörden
Auch in der Schweiz sind die Behörden aktiv: Das Bundesamt für Justiz hat im vergangenen Dezember ein Rechtshilfegesuch aus Russland an die Staatsanwaltschaft Zürich weitergeleitet.
Diese prüft das Gesuch bis heute. Zwischenzeitlich hatte sie erwogen, ein eigenes Strafverfahren zu eröffnen, dann aber darauf verzichtet, weil Russland schon ermittle. Doch Vermögen in der Schweiz bleiben gesperrt.
Diese Rechtshilfe sei nicht unproblematisch, sagt Staatsrechtler Rainer J. Schweizer von der Universität St. Gallen, weil das russische Justizsystem «sehr umstritten und gefährlich» sei, «und weil Russland sehr viele Menschen politisch verfolgt».
Parallelen zum Fall Sergey Magnitski
Aufhorchen lässt: In die russischen Ermittlungen gegen den Nawalny-Banker und seine Mitstreiter sind zwei fragwürdige Personen verwickelt: Victor Grin, ein stellvertretender Generalstaatsanwalt, und Andrey Pavlov, ein Wirtschaftsanwalt im Sold russischer Behörden.
Beide stehen auf der Sanktionsliste der USA. Pavlov steht zudem auf der Sanktionsliste Grossbritanniens. Denn das Duo war in die Sergey-Magnitski-Affäre involviert.
Sergey Magnitski hatte in Russland ein Korruptionssystem aufgedeckt, in das hohe Beamte verwickelt waren. Doch nicht die Beamten, sondern er kam in Untersuchungshaft, wo er unter ungeklärten Umständen verstarb.
Nach dem Tod führte Victor Grin das Strafverfahren gegen Magnitski weiter und verwischte Spuren. Heute ermittelt er gegen ehemalige Manager der Probusinessbank, derweil sein mitsanktionierter Kollege, Anwalt Pavlov, die Zivilklagen gegen ehemalige Probusinessbank-Manager leitet.
Die beiden Männer sind auch Schlüsselfiguren im Verfahren gegen Nawalny-Banker Sergey Leontyev – ein wesentliches Argument zu Gunsten seines Klienten, sagt Anwalt Siegbert Lampert: «In anderen Staaten haben die Richter ausdrücklich bestätigt, dass dies Hinweise sind, dass das politisch motiviert ist und der Rechtshilfe deshalb keine Folge zu leisten ist.»
Für das Bundesamt für Justiz ein Fall wie jeder andere
Und auch Experte Rainer J. Schweizer urteilt dezidiert: «Die Erfahrungen aus dem Mord an Magnitski – der ja auch ein Aufklärer von Korruption war – zeigen, dass man bei diesen Rechtshilfegesuchen schon sorgfältig schauen muss, ob das nicht eine konstruierte Sache ist, um diesen Staatsfeind Nawalny – zumindest mittelbar – zu treffen.»
In Österreich haben die Gerichte ein Verfahren gegen Sergey Leontyev pausiert. Polen hat die Auslieferung eines Mitstreiters des Bankers nach Russland verweigert. In den USA geniesst Leontyev politische Unterstützung durch Kongressabgeordnete.
Die Staatsanwaltschaft Zürich wollte sich zum Fall nicht äussern. Das Rechtshilfegesuch ist noch hängig. Das Bundesamt für Justiz schreibt auf Anfrage: «Wir prüfen sämtliche Rechthilfeersuchen unter Anwendung des geltenden Rechts. So auch das Ersuchen in dieser Angelegenheit.»