Beim Eidgenössischen Gleichstellungsbüro freut man sich über die Fortschritte in der Lohngleichheit. Einige Firmen hätten ihre Hausaufgaben tatsächlich gemacht. Allerdings: Die publizierten Resultate der 300 grossen Unternehmen seien nicht repräsentativ für die Schweizer Wirtschaft, sagt Patric Aeberhard, der dortige Leiter Arbeitsmarkt.
Repräsentativ sei die Lohnanalyse des Bundesamtes für Statistik, die alle zwei Jahre die effektiv ausbezahlten Löhne bei 36'000 Unternehmen aus allen Branchen erhebe: «Die letzte Analyse hat gezeigt, dass der unerklärte Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern bei durchschnittlich 8.1 Prozent liegt und in den letzten Jahren tendenziell sogar etwas zulegte.»
Bewusstsein geweckt
Insgesamt verdienen Frauen im Schnitt fast 20 Prozent weniger als Männer – 8.1 Prozent davon gelten als nicht durch Ausbildung, Erfahrung oder die Stellung im Betrieb erklärbar. Die publizierten Resultate der 300 Firmen zeigten immerhin, dass die Diskussion um faire Löhne etwas gebracht habe, sagt der St. Galler Lohnspezialist Thomas Meier: «Das hat das Bewusstsein geweckt, dass man den Frauen den gleichen Lohn bezahlen will und auch seriös analysieren muss, um überhaupt eine Aussage zu machen.»
Diskriminierende Löhne finden sich heute eher noch bei KMU.
Doch Firmen wüssten oft nicht, dass sie gleichwertige Arbeit nicht immer gleich bezahlten. Deshalb seien Lohnanalysen zentral, sagt Meier. Denn, wenn heute erkannt werde, dass eine Frau einen schlechten Lohn erhalte, dann werde das auch korrigiert.
Trotzdem keine Entwarnung
Dank der Bewusstseinsbildung in den letzten Jahren gibt es in einigen Firmen also weniger Lohndiskriminierung als im statistischen Schnitt – Entwarnung geben Expertinnen trotzdem nicht. Das hat Gründe: Grosse Firmen müssen ihre Löhne analysieren. Sie haben sich aber darauf vorbereitet und die Löhne im Vorfeld angeglichen. Diskriminierende Löhne fänden sich heute eher noch bei KMU, sagt Patric Aeberhard vom Eidgenössischen Gleichstellungsbüro. Diese seien aber gesetzlich nicht verpflichtet, eine Lohngleichheitsanalyse durchzuführen.
Es ist fast unmöglich, zu bestimmen, was gleichwertige Arbeit ist.
Die Basler Ökonomieprofessorin Conny Wunsch bestätigt dies und weist darauf hin, dass es in Lohnanalysen sehr schwierig sei, Diskriminierung nachzuweisen. «Mit diesen statistischen Verfahren kann man nicht erklärte Lohnunterschiede ausrechnen, aber das Nichterklärte hängt erheblich davon ab, was man erklären kann und was davon berücksichtigt wird.» Und gerade im Lohnanalysetool des Bundes (Logib), wird vieles nicht berücksichtigt – zum Beispiel der genaue Inhalt einer Arbeit oder auch die Leistung der Mitarbeitenden. Deshalb, sei es fast unmöglich, zu bestimmen, was gleichwertige Arbeit sei, sagt Thomas Meier. Nur für gleichwertige Arbeit fordert die Bundesverfassung aber gleiche Löhne.
Ungleiche Chancen
Die emeritierte Zürcher Ökonomieprofessorin, Margit Osterloh, hält die direkte Lohndiskriminierung indes nicht mehr für das grösste Problem: «Im Augenblick ist die Diskussion über Frauen und Lohndiskriminierung recht weit verbreitet.» Schon dies habe ihrer Meinung nach gewirkt.
Frauen haben derzeit eine supergute und formal sogar bessere Ausbildung als die Männer.
Das viel gröbere Problem sei die indirekte Diskriminierung von Frauen, dass es nämlich für Frauen und Männer ungleiche Chancen gebe, Positionen mit hohen Löhnen zu erreichen. «Dies ist nicht gut, weil Frauen derzeit eine supergute und formal sogar bessere Ausbildung haben als die Männer.» Trotzdem kämen sie in den Unternehmen nicht an die führenden Positionen oder gar an die Spitze. «Dies ist das eigentliche Problem, über das man nachdenken muss.»
Denn erst, wenn es gleich viele Frauen wie Männer in den Teppichetagen gibt, wird sich die Lohnschere wirklich schliessen.