Der Zweirad-Hersteller «Tour de Suisse Rad» ist ein Schweizer Traditionsunternehmen. Die Firma aus Kreuzlingen montiert und verkauft Velos und E-Bikes. Rund 80 Prozent ihrer Verkäufe sind massgefertigt nach den Wünschen ihrer Kundinnen und Kunden. Eigentlich wäre es eine gute Zeit für sie: Die Nachfrage nach Velos und E-Bikes ist ungebrochen hoch. Man könnte viel produzieren – wären da nicht die internationalen Lieferketten.
Leere Regale
Das Unternehmen bezieht seine Bauteile weltweit, vor allem aus Asien. Die verzögerten oder teilweise unterbrochenen Lieferketten führten bei ihnen zurzeit zu leeren Regalen, wie Nick Becker, Leiter Marketing bei «Tour de Suisse Rad» berichtet. «Wir können nicht durchproduzieren, wie wir uns das gewohnt sind.» Aktuell warte man auf bestellte Velo-Rahmen, die aber beim Zoll feststeckten.
Aufgrund der vielen Lieferengpässe müssen wir deutlicher flexibler sein. Der Einkauf muss vermehrt nach Alternativprodukten schauen.
Die Firma muss also viel langfristiger planen als gewohnt. Normalerweise betrage die Zeit zwischen Bestellung und Lieferung zwischen 90 und 180 Tagen, heute seien es zwei Jahre. Das fordere die Mitarbeiter an vielen Stellen intensiv, sagt Nick Becker. «Aufgrund der vielen Lieferengpässe müssen wir deutlicher flexibler sein. Der Einkauf muss vermehrt nach Alternativprodukten schauen.»
Die Engpässe führen zu steigenden Lieferkosten, zum Beispiel wegen höheren Frachtkosten. Auch Rohmaterialen wie Eisen oder Aluminium sind aufgrund hoher globaler Nachfrage deutlich teurer geworden. Das führt im Falle von «Tour de Suisse Rad» am Ende auch zu teureren Velos. Nick Becker sagt: «Diese Preissteigerungen müssen wir weitergeben.»
Lieferengpässe – und bald ist Weihnachten
Die «Tour de Suisse Rad» ist nur eine von vielen Firmen, die mit den Lieferengpässen konfrontiert ist. Auch der Spielwarenhändler Franz Carl Weber, der in der Schweiz 22 Filialen betreibt, ist davon betroffen. Wie Zweiräder erleben auch Spielwaren weltweit eigentlich einen Boom. Zudem kommt bald die Weihnachtszeit; bei Franz Carl Weber wird die Hälfte des Umsatzes in den letzten drei Monaten eines Jahres erwirtschaftet.
Doch die Probleme bei den Lieferketten zwangen auch den Spielwarenhändler zu Anpassungen. Geschäftsleiter Roger Bühler sagt, normalerweise füllten sich seine Lager erst im November. Waren aus der Schweiz könnten gar bis eine Woche vor Weihnachten nachbestellt werden. Dieses Jahr habe man bereits Ende September die Lager für das Weihnachtsgeschäft gefüllt.
Zu wenig Pokémon-Karten
Muss Franz Carl Weber gar auf gewisse Waren verzichten, mit denen man gerechnet hat? Da die Firma von vielen verschiedenen Hersteller Ware bezieht, gibt es oftmals Ausweichmöglichkeiten. So wird das gleiche oder ein ähnliches Produkt dann bei einem anderen Hersteller bestellt. Doch nicht immer ist das möglich: Ein aktueller Verkaufsschlager sind spezielle Pokémon-Karten; die japanische Zeichentrickserie feiert ihr 25-Jahresjubiläum. «Wenn wir mehr von denen hätten, wir könnten Zehntausende verkaufen», sagt Roger Bühler. Die USA werden aber zuerst beliefert und so blieben nur wenige übrig für Kunden aus der Schweiz.
Die Lieferanten habe ihre Preise erhöht. Die geben wir teilweise weiter, es kommt aber sehr auf die Produkte an.
Auch bei Franz Carl Weber bleiben die Lieferengpässe preislich nicht ohne Folgen: «Die Lieferanten habe ihre Preise erhöht», sagt der Geschäftsleiter. Die Preiserhöhung liege zwischen vier bis sieben Prozent. «Die geben wir teilweise weiter, es kommt aber sehr auf die Produkte an.»
Trotz Lieferengpässen: Dank langfristiger Planung und einem vollen Lager darf Franz Carl Weber auf ein gutes Weihnachtsgeschäft hoffen.