Fast alles, was wir heute kaufen, hat eine globale Reise hinter sich: Die Rohstoffe stammen aus Australien oder Saudi-Arabien, gefertigt wird es in China, veredelt in der Schweiz und verkauft in den USA.
Keine Abkehr der Globalisierung
An dieser globalisierten Arbeitsteilung wird sich auch in Zukunft nichts ändern, ist Erik Hofmann überzeugt. Der Professor lehrt und forscht über internationale Lieferketten an der Universität St. Gallen. «Wir sehen definitiv keine Abkehr der Globalisierung, sondern, wenn überhaupt, punktuell eine Rückverlagerung von Wertschöpfungstätigkeiten aus dem Ausland zurück in die Schweiz.»
Das heisst etwa, dass Firmen ganz entscheidende Teile wieder selbst produzieren oder in unmittelbarer Nähe fertigen lassen. Grundsätzlich aber kommen Unternehmen gar nicht an einer globalen Lieferkette vorbei. «Nicht alle Produkte können in der Schweiz oder im nahen Ausland angebaut oder bezogen werden.»
Unternehmen halten trotz der aktuellen Schwierigkeiten an globalen Lieferketten fest. Beispielsweise der Sensor- und Chiphersteller Sensirion. Bei gewissen Fluten oder Erdbeben seien nur bestimmte Gebiete der Welt betroffen, so Geschäftsführer Marc von Waldkirch. Eine globale Aufstellung sei da gut. «Mit der Pandemie hat es die ganze Welt getroffen.»
Auch OC Oerlikon sieht keinen Grund, von seiner globalen Strategie abzuweichen. Die Firma aus Pfäffikon ist unter anderem auf eine Vielzahl von Oberflächenbeschichtungen spezialisiert. «Wir sind in fast 40 Ländern dieser Welt mit lokalem Personal vertreten. Wir haben eine starke Präsenz in den einzelnen Märkten», erklärt Geschäftsführer Roland Fischer.
Vertretbare Probleme
Aus Sicht von OC Oerlikon ist die Logistik momentan das grössere Problem; etwa im Bereich der Schifffahrt. «Shipments sind verzögert, weil Schiffe schwer planbar sind. Container sind nicht ausreichend verfügbar. Das sind aber alles Timing-Effekte.» Schlussendlich bekämen die Kundinnen ihre Teile, wenn auch etwas verspätet.
Die globale Lieferkette wird also nicht grundsätzlich infrage gestellt, auch wenn sie immer wieder blockiert ist. Das trifft insbesondere jene Unternehmen, die ‹Just-in-time› produzieren; die Bauteile werden geliefert und gleich verbaut. In der Autoindustrie etwa ist das gang und gäbe. Fehlt da nur ein Element, steht die ganze Produktion still. Und das ist aktuell der Fall.
Es lässt sich eine Abkehr vom ‹Just-in-time-› oder dem ‹Lean Management-Denken› hin zum sogenannten ‹Just-in-case› beobachten.
Diese Situation könnte dazu führen, dass das gute alte Warenlager eine Renaissance erlebt. Zumindest bei wichtigen Produkten, beobachtet Erik Hofmann von der Universität St. Gallen: «Es lässt sich eine Abkehr vom ‹Just-in-time-› oder dem ‹Lean Management-Denken› hin zum sogenannten ‹Just-in-case› beobachten.» Also die punktuelle Betrachtung und Entscheide, wie beispielsweise den Warenlagerbestand wiederaufzubauen. Damit könne man allfällige Störungen bei Zulieferbetrieben oder in der Logistik besser abfedern.
Flexibilität nötig – von Verkäuferin und Käufer
Wenn die Unternehmen ihre globalen Lieferketten stabiler machen, kostet das allerdings – beispielsweise ein neues Lager. Dazu kommen höhere Transportkosten. Und gewisse Güter sind ohnehin teurer als sonst. Vor dem anstehenden Weihnachtsgeschäft könne das zu fehlenden Produkten oder höheren Preisen führen.
Die aktuelle Situation verlangt also von den Unternehmen mehr Flexibilität – und von den Konsumentinnen und Konsumenten, dass sie tiefer in die Tasche greifen müssen.