Dass Information digital ist und wir das gesammelte Wissen der Welt jederzeit im Internet nachlesen können, daran haben wir uns längst gewöhnt. Auch dass soziale Kontakte digital geworden sind und wir Freunden und Bekannten öfter in den sozialen Medien begegnen als in der richtigen Welt, ist nichts Neues mehr.
Doch fast unbemerkt vollzieht sich ein weiterer, viel Grösserer Schritt ins Digitale: Nichts weniger als die Abbildung der gesamten Welt als digitale Kopie.
Vernetzte Kameras vermessen die Welt
Der Technologie-Veteran und Autor Kevin Kelly erzählt in der Zeitschrift «Wired» vom Aufbau dieser sogenannten «Mirrorworld», die er nach dem Internet und den sozialen Medien als nächste grosse Technologie-Plattform sieht.
Der Begriff «Mirrorworld» – also «Spiegelwelt» – kam Anfang der 1990er Jahre auf, um die Repräsentation der realen Welt in digitaler Form zu beschreiben. Er unterscheidet sich von der virtuellen Realität (VR), denn die Dinge in der Spiegelwelt sind nicht virtuell, sondern haben immer eine Entsprechung in der realen Welt. Irgendwann, so die Hoffnung, soll jedes Haus, jeder Baum, jede Strasse, jedes Schlagloch, sogar jeder Mensch in der Spiegelwelt abgebildet sein. Davon ist man noch Jahrzehnte entfernt. Trotzdem ist diese Welt jetzt schon am Entstehen: Google Earth, das virtuelle Reisen in die hintersten Ecken des Planeten möglich macht, gibt einen Vorgeschmack.
Durch die vernetzten Geräte des «Internet of Things» kommen laufend Daten dazu, dank denen die digitale Kopie der realen Welt immer genauer wird. Und auch die Kameras in Smartphones oder selbstfahrenden Autos liefern immer neue digitalisierte Bilder der Welt aus den verschiedensten Blickwinkeln.
Digitale Zwillinge optimieren den Produktionsprozess
In der Industrie kommt die Spiegelwelt heute schon in der Praxis zum Einsatz. Von bestimmten Maschinen, einzelnen Komponenten oder ganzen Produktionsprozessen existieren oft sogenannte «digitale Zwillinge» im Computer. Das fängt bei der Planung an, wo dank dem digitalen Zwilling Abläufe durchgespielt und optimiert werden können, bevor eine Maschine überhaupt gebaut ist. Später übertragen Sensoren Betriebsdaten an den digitalen Zwilling. So können Fehler frühzeitig erkannt und Verbesserungen vorgenommen werden.
Die Fluggesellschaft Swiss bildet ihre Flugzeuge heute schon mit digitalen Zwillingen ab und ist so stets über den Zustand der Maschinen informiert. Auch bei Schindler soll in Zukunft jeder Lift und jede Rolltreppe einen digitalen Zwilling haben. Im Computermodell werden alle Informationen von der Entstehung bis zum Einsatz gespeichert. Aus dem Betrieb und durch Wartungsarbeiten kommen immer wieder neue Daten dazu.
Für Elena Cortona, die bei Schindler das entsprechende Projekt leitet, hilft ein digitaler Zwilling dabei, bessere und effizientere Maschinen zu bauen. Ausserdem seien alle Informationen zu einem Objekt im digitalen Zwilling zentral und für alle einsehbar gespeichert. Das helfe, das kein Wissen verloren gehe und ein Fehler nicht zweimal gemacht werde.