Das letzte Geschäftsjahr der Grossbank Credit Suisse war ein Debakel. Sie fuhr einen Milliardenverlust ein, unter anderem, weil sie sich mit dem Lieferkettenfinanzierer-Fonds Greensill verspekuliert hatte.
Fall Greensill wird untersucht
In der Tat steht das Engagement beim inzwischen Pleite gegangenen Greensill-Fonds für einen der grössten Skandale bei der Credit Suisse. Warum die CS die Risiken übersehen hat und dem Projekt Kredite in Höhe von Hunderten Millionen Franken gewährte, ist inzwischen Teil interner und externer Untersuchungen.
Unter diesen Vorzeichen verzichtet der Verwaltungsrat der Credit Suisse an der nächsten Generalversammlung vom 29. April auf einen Entlastungsantrag beim Fall Greensill. Die sogenannte Décharge soll gemäss der Bank zwar beantragt werden, dies aber mit Ausnahme von Greensill.
Risiko der Déchargenverweigerung vermeiden
«Die CS hat sich wohl überlegt, dass an der GV viele Aktionäre gegen die Décharge stimmen könnten», sagt der Wirtschaftsrechtsprofessor Peter V. Kunz von der Universität Bern. Die CS wolle damit wohl die Décharge retten oder zumindest ein sehr schlechtes Abstimmungsergebnis verhindern.
Ohne Décharge werden der Verwaltungsrat und die Geschäftsleitung also für die Greensill-Geschäfte haftbar bleiben, nicht aber für die anderen Geschäfte der Bank. Eine solche Aufteilung der Décharge komme nur selten vor, sagt Kunz.
Es ist eine Art Misstrauensvotum gegenüber dem Verwaltungsrat – und hat für diesen auch rechtliche Folgen.
Er erinnere sich bloss an den Fall UBS während der Bankenkrise 2008/09. Denn: «Es ist einerseits eine Art Misstrauensvotum gegenüber dem Verwaltungsrat, andererseits hat es auch rechtliche Folgen für die Mitglieder des Verwaltungsrats.»
Unzufriedene Aktionärsvertreter
Gemäss der Anlagestiftung Ethos reagiert die CS mit diesem aussergewöhnlichen Vorgehen der Aufteilung der Décharge auf den Druck von Aktionären. Ethos-Direktor Vincent Kaufmann spricht denn auch von einem guten ersten Schritt – aber er gehe zu wenig weit. Ethos fordert eine Sonderprüfung, damit der Fall Greensill in all seinen Facetten ans Tageslicht kommt.
Wir brauchen mehr Transparenz, um unser Aktionärsrecht auszuüben.
Die CS selbst hat den Fall zwar extern untersuchen lassen, stellte den Bericht aber bloss der Banken-Aufsichtsbehörde zu und will ihn nicht öffentlich machen. Ethos-Direktor Kaufmann kritisiert das: «Wir brauchen mehr Transparenz, um unser Aktionärsrecht auszuüben.» Die Aktionärsberater haben denn auch einen umfangreichen Fragenkatalog zu Greensill erstellt.
Wie auch immer die Antworten der CS ausfallen: Ethos geht davon aus, dass einige Aktionäre die Décharge gar nicht erteilen werden, auch keine eingeschränkte. Auch die Stiftung Ethos selbst behält sich das vor.