Anastassios Frangulidis kennt die Wirtschaft. Und er kennt sein Heimatland. SRF hat den Chefökonomen der Zürcher Kantonalbank (ZKB) gefragt, was die wichtigsten Punkte der heute erzielten Einigung sind. Und wie schädlich oder gut diese Punkte für Griechenland sind.
SRF: Kann Griechenland mit dieser Einigung vorwärts kommen?
Anastassios Frangulidis: Die griechische Bevölkerung und Regierung erwartet eine Herkulesaufgabe. Zuerst muss die Regierung viel sparen. Gleichzeitig muss sie viele Reformen umsetzen.
Welches ist die wichtigste Reform?
Diese betrifft die Privatisierungen, aber auch die Reform der öffentlichen Verwaltung. Sie soll entpolitisiert werden, besser funktionieren. Für die Wettbewerbsfähigkeit des Landes ist das äusserst wichtig.
Wie lange wird das dauern?
Es wird Jahre brauchen, bis die Reformen Früchte tragen. Aber wichtig ist, dass man mit den Reformen beginnt und die Fehler der Vergangenheit beseitigt.
Wird die griechische Wirtschaft nun in eine Rezession fallen?
Als Folge der Sparmassnahmen wird Griechenland in die Rezession zurückkehren. Die Griechen erwarten zwei schwierige Jahre. Wichtig ist, dass man das Vertrauen gegenüber Griechenland wieder gewinnt und die griechischen Politiker in der Lage sind, die abgesprochenen Massnahmen umzusetzen.
Griechenland ist bereits produktiver geworden. Seit drei Jahren geht eine interne Abwertung vor sich. Die Lohnkosten gingen um 20 Prozent zurück.
Was braucht es, damit Griechenland wirtschaftlich wachsen kann?
Das Land braucht erst mal ein grosses Investitionsprogramm. Dann eine Reduktion der Schulden-Finanzierungskosten, also eine Schuldenrestrukturierung. Und zuletzt braucht es auch einen effizienteren Staatsapparat.
Griechenland leidet auch unter dem starken Euro. Wie kann es so wieder Produktivität gewinnen?
Griechenland hat die Kosten bereits massiv reduziert. Die interne Abwertung dauert nun schon drei Jahre. Die griechischen Lohnstückkosten sind um 20 Prozent zurückgegangen. Da ist Griechenland produktiver geworden. Was Griechenland braucht, sind wieder mehr Zuversicht und Reformen im Bereich der öffentlichen Verwaltung.
Bis jetzt hat Griechenland zu viel importiert. Was fehlt, ist die Industrie.
Es braucht Investitionen – sowohl öffentliche als auch private. Deshalb ist es wichtig, dass die Diskussion um einen möglichen Grexit an Bedeutung verliert.
Mit dem Tourismus und der Schifffahrt hat Griechenland zwei starke Industrien. Auch die Energie oder die Generika haben Wachstumspotenzial.
Welche Industrien könnte Griechenland fördern?
Griechenland hat mit dem Tourismus und der Schifffahrt zwei starke Industrien. Es gibt weitere Bereiche, in denen Griechenland wachsen kann. Dazu gehört etwa die Energie oder die Generika. Griechenland ist ein grosser Erzeuger von Generika.
Eine zweite Forderung betrifft die Mehrwertsteuer. Würde deren Erhöhung Griechenland schaden?
Eine Erhöhung wäre bestimmt keine gute Nachricht. Insbesondere für den Tourismus und die Restaurants. Das wird sicher einen negativen Einfluss auf die konjunkturelle Entwicklung in der nächsten Zeit haben.
Würden Sie zum jetzigen Zeitpunkt in Griechenland investieren?
Wichtig ist, dass die Schulden umstrukturiert werden. Erst dann kann man in Griechenland wieder Chancen finden. Erst dann lohnt sich eine Investition.
Wie lange wird das dauern?
Es ist wichtig, dass die Frage der Schuldenumstrukturierung im Verlaufe dieses Jahres geklärt wird. Sonst wird die griechische Volkswirtschaft nicht wieder stark wachsen können.
Die Frage der Schuldenumstrukturierung muss dieses Jahr noch gelöst werden. Sonst wird die Wirtschaft nicht erneut wachsen können.
Was sind die Risikofaktoren?
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Das grösste Problem ist die politische Unsicherheit. Damit die Reformen wie abgemacht umgesetzt werden können, sollten sämtliche Grossparteien im Parlament zusammenarbeiten. Eigentlich bräuchte es eine Regierung der nationalen Einheit.
Die Banken sind im Moment geschlossen. Werden sie überleben?
Gemäss dem Plan aus Brüssel sollen die Banken mit 25 Milliarden Euro kapitalisiert werden. So können sie überleben, solvent sein. Wichtig ist, dass das Vertrauen der griechischen Sparer in die Bankenwelt zurückkehrt. Sodass die Ersparnisse, die vom Bankensystem abgezogen wurden, wieder zurückkehren.
Das Interview führte Marianne Fassbind.