Nachhaltig Investieren ist das neue Credo in der EU. Die EU-Kommission hat neue Leitlinien dazu verabschiedet. Künftig sollen auch Investitionen in Gas und Atomenergie unter gewissen Voraussetzungen als grün klassifiziert werden. Doch für Investoren aus der Schweiz werde das keinen grossen Unterschied machen, sagt die Finanzplatzexpertin Sabine Döbeli.
SRF News: Wird das grüne Mäntelchen für Atomenergie und Strom aus Gaskraftwerken diese Technologien fördern?
Sabine Döbeli: Einen Fördereffekt für diese Technologien erwarte ich nicht, aber eine weniger starke Verknappung von Mitteln für solche Technologien.
Viele Fondsanbieter haben bereits angekündigt, dass sie diese Technologien aussen vor lassen werden.
Nachhaltige Investoren haben schon im Vorfeld klargemacht, dass sie nichts davon halten, Atomkraft und Gas zu grünen Aktivitäten zu zählen. Und viele Anbieter haben auch bereits angekündigt, dass sie diese Technologien in ihrem nachhaltigen Fonds aussen vor lassen werden.
Sie erwarten nicht, dass mehr Geld aus der Schweiz in Gas- und Atomprojekte in der EU fliesst?
Nein. Schon heute war es schwer, Privatinvestoren für Atomkraftwerke zu finden. Dies, weil andere Energietechnologien schlicht ein besseres Kosten-Nutzen-Verhältnis haben. Aber insbesondere Atomkraftwerke werden vor allem durch Staaten finanziert, nicht durch Investoren.
Einen gewissen Effekt wird der Entscheid der EU schon haben, wenn auch nicht auf die Schweizer Investoren?
Vielleicht führt es dazu, dass etwas weniger konventionelle Fonds solche Technologien ausschliessen. Insofern ist es ein politisches Signal einer Mehrheit der EU-Länder, dass man diese Technologien als Übergangstechnologie sieht.
Werden nun Investitionen in erneuerbare Energien gehemmt?
Das erwarte ich nicht. Es gibt viele Investoren, die in geeignete Firmen mit erneuerbarer Technologie investieren möchten. Es gibt eher zu wenig Investitionsobjekte dafür. Wenn man staatliche Energiestrategien anschaut, ist das anders. Es ist jetzt wieder einfacher für Länder zu sagen, dass sie auf Gaskraftwerke als Übergangstechnologie setzen. Damit ist es weniger dringend, Rahmenbedingungen zu schaffen, die erneuerbare Energien direkt fördern.
Wer nachhaltig investieren will, ist diesen Technologien gegenüber eher kritisch eingestellt.
Raten Sie den Akteuren im Schweizer Finanzplatz, für die Sie tätig sind, Gas und Atomenergie in die grünen Portfolios aufzunehmen?
Nein. Ich glaube auch nicht, dass viele Anbieter vorhaben, solche Technologien in grüne Fonds zu integrieren. Denn es entspricht nicht dem Kundenbedürfnis in der Schweiz. Wer nachhaltig investieren will, ist diesen Technologien gegenüber eher kritisch eingestellt.
Ihr Ziel ist, nachhaltige Investitionen zu fördern. Würden Sie von Investitionen in Gas und Atomenergie abraten?
Das hängt von der Perspektive des Anlegers ab. Aber wenn man nachhaltig investieren will, dann gibt es bessere Alternativen.
Für Sie sind Gas- und Atomkraftwerke nicht nachhaltig?
Gaskraftwerke verursachen zwar weniger Emissionen als Kohlekraftwerke, aber es ist ganz klar, sie haben auch erhebliche Klima-Emissionen. Bei der Atomkraft sind zwar die Emissionen tiefer, aber wir wissen, dass wir Endlagerproblem nicht gelöst haben. Und im Falle eines Unfalls ist das Schadenspotenzial erheblich. Deswegen würde ich das nicht als eine nachhaltige Technologie im engeren Sinn bezeichnen.
Das Gespräch führte Sandro della Torre.