Das Schweizer Volk hat das Freihandelsabkommen mit Indonesien nur knapp angenommen. Die Gegner spüren Aufwind und fordern nun, dass auch künftige Freihandelsabkommen Nachhaltigkeitsklauseln enthalten.
Für Bundesrat Guy Parmelin hat das knappe Ja auch eine historische Komponente: «Zum ersten Mal überhaupt sind in einem Freihandelsvertrag verpflichtende Nachhaltigkeitsregeln fixiert worden.»
Mercosur-Abkommen steht vor der Tür
Auch der Berner Handelsjurist Thomas Cottier attestiert dem Abkommen eine Pionierfunktion – auf mengenmässig bescheidenem Niveau zwar. Dennoch sei ein wichtiger Durchbruch gelungen, der die Debatte in den nächsten Jahren weit über die Schweiz hinaus beeinflussen werde.
Die grosse Frage ist nun, ob Nachhaltigkeitsklauseln schon beim Abkommen mit den südamerikanischen Mercosur-Ländern zum Zuge kommen. Solche Klauseln seien nun Mindeststandard, sagt etwa SP-Nationalrat Fabian Molina. Grünen-Nationalrätin Christine Badertscher kündigt das Referendum auch gegen das Mercosur-Abkommen an.
Wirtschaftsdachverband bremst
Dem Wirtschaftsdachverband Economiesuisse geht das viel zu schnell und zu weit. Nach dem knappen Abstimmungssieg sagte Präsident Christoph Mäder zwar, dass nun eine gewisse Erwartung bezüglich Nachhaltigkeit bestehe. Das müsse aber nicht zwingend in einem Freihandelsvertrag sein.
Rückendeckung bekommt er vom Handelsökonomen Reto Föllmi von der Universität St. Gallen. Auch er mahnt davor, zu schnell vorzupreschen – gerade bei Handelspartnern aus ärmeren Ländern: «Oftmals kann das Schwellenland seine Vorteile nur dank tieferen Löhnen ausspielen. Wenn Löhne fast deckungsgleich zur Schweiz sein müssen, kann sich das Land nicht mehr differenzieren.»
Oftmals kann das Schwellenland seine Vorteile nur dank tieferen Löhnen ausspielen.
Bund relativiert
Der Bund setzt derweil auf Pragmatismus wie der Wirtschaftsdachverband. Nachhaltigkeit sei zwar wichtig, sagt Markus Schlagenhof, Delegierter des Bundesrats für Handelsverträge. Aber die Klausel im Abkommen mit Indonesien könne nicht einfach auf andere Abkommen übertragen werden.
Beim Fleisch fehlen etablierte internationale Standards, die herangezogen werden könnten.
Für das ausverhandelte Mercosur-Abkommen schliesst Schlagenhof das sogar ganz aus – auch weil es um ganz andere Produkte gehe: «Beim Fleisch fehlen etablierte internationale Standards, die herangezogen werden könnten.»
Mercosur-Länder potenter
An der Urne dürfte es das Mercosur-Abkommen damit nicht leicht haben, falls die Gegner ernst machen. Auch die Schweizer Verhandler hätten es nicht leicht, nachträglich eine Nachhaltigkeitsklausel mit den vier Mercosur-Ländern zu verhandeln – selbst wenn sie wollten. Denn diese Länder sind schon jetzt viel potenter als Indonesien. Die Schweiz und ihre EFTA-Partner sind in einer deutlich schwächeren Verhandlungsposition.
Neue EU-Aussenhandelsstrategie
Das Problem sieht auch Handelsjurist Cottier. Trotzdem ist er überzeugt, dass Umwelt- und Sozialstandards in Handelsverträgen nicht zu stoppen sind: «Es geht hier um einen Megatrend, der die Handelspolitik ganz generell und weltweit beeinflussen wird, auch seitens der grossen Player und auch innerhalb der Welthandelsorganisation WTO.»
Es ist ein Megatrend, der die Handelspolitik generell und weltweit beeinflussen wird.
Zuversichtlich macht Cottier auch die neue Aussenhandelsstrategie der EU, in der Nachhaltigkeit eine starke Stellung hat. Das könnte mittelfristig auch Druck aufs Schweizer Parlament machen. Auch wenn es für das Mercosur-Abkommen nicht mehr reichen dürfte.