In den letzten zehn Jahren habe es für taiwanesische Unternehmen viele Gründe gegeben, in China zu produzieren, erzählt Ökonomin Kristy Hsu. Vieles sei billiger in China, es gebe genügend Arbeitsplätze und viel Platz.
«Dass taiwanesische Firmen jemals zurückkommen, hätten wir nicht gedacht», stellt die Direktorin des Taiwan Asean Study Center mit Sitz Taipeh am Rande einer Tagung des Weltwirtschaftsinstituts der Universität Bern weiter fest.
Auf der Flucht vor hohen Zöllen
Ein wichtiger Grund für die Rückkehr oder zumindest teilweise Rückverlagerung der Produktion sei der Handelskonflikt zwischen den USA und China. Ein weiterer Grund seien die steigenden Produktionskosten in China.
Durch die Rückkehr nach Taiwan versuchten vor allem Elektronik- und Maschinenbaukonzerne wie Flexium oder Quanta den hohen Zöllen zu entkommen, die die USA neuerdings bei der Einfuhr von in China produzierten Waren erheben. Sie machen Waren aus China in den USA teurer, was ein Wettbewerbsnachteil für die Hersteller ist.
Taipeh hilft mit
Von dem Trend der Firmen zurück ins Heimatland profitiert Taiwans Exportindustrie: Die Ausfuhren Richtung USA seien seit Jahresbeginn um 40 Prozent angestiegen. «So etwas hat man in Taiwan schon seit Jahren nicht mehr beobachtet», so Kristy Hsu.
Taiwans Exporte in die USA sind seit Anfang Jahr um 40 Prozent gestiegen.
Die taiwanesische Regierung sieht den Handelskonflikt zwischen den USA und China klar als Chance: Sie lockt rückkehrwillige Firmen und Investoren zusätzlich mit Steuervorteilen und billigen Krediten.
Ein heikles Spiel
Dennoch sieht der taiwanesische Ökonom Jiann-Chyuan Wang vom Chung Hua Institute of Economic Research den Inselstaat Taiwan nicht als nur Gewinner des Handelskonfliktes zwischen den USA und China. Denn erstens entstünden taiwanesischen Firmen hohe Kosten durch die teilweise Rückverlagerung ihrer Produktion zurück aus China.
Und zweitens schade der Handelskonflikt der Inlandnachfrage in China nach taiwanesischen Produkten: «40 Prozent unserer Exporte hängen von China ab. «Wenn die Nachfrage in China zurückgeht, schadet das auch uns», sagt Wang.
Komme dazu, dass das Verhalten der taiwanesischen Firmen die politischen Spannungen zwischen China und der Republik Taiwan verschärfe, so Wang. Aus diesem Grund versuchten die Firmen ihren Rückzug möglichst geheim zu halten.
Die Firmen halten ihre Pläne geheim, um Ärger mit China zu vermeiden.
Auch Kristy Hsu relativiert die Chancen der taiwanesischen Strategie: Auf kurze Sicht werde Taiwan vermutlich von mehr Export und Investitionen profitieren: «Auf längere Sicht könnte das Land trotzdem zu den Verlierern zählen.»
Ein weiterer Unsicherheitsfaktor
Auf welcher Seite Taiwan am Ende stehe, hänge auch davon ab, ob der Handelskonflikt auf die USA und China beschränkt bleibe, sagt Joseph Francois, Direktor des Welthandelsinstituts an der Universität Bern. Wenn ja, dann könnten Drittländer wie Vietnam, Thailand oder Taiwan durch die Produktionsverlagerung aus China profitieren. Wenn nicht, würden sie ebenfalls in den Strudel des Handelskonflikts geraten. Dann würden alle verlieren.