Dorfrundfahrt durch ein Einfamilienhausquartier im aargauischen Safenwil: «Dieses Einfamilienhaus steht seit fünf Jahren hier. Es ist unbewohnbar», sagt der mittelständische Bauunternehmer Marco Rulli. Man werde das Haus wohl wieder abbrechen müssen: Die Fassade bröckelt, der Keller ist undicht, die Mauern schimmeln.
Der Generalunternehmer, der dieses «Abbruchobjekt» erstellt hat, ist nicht erreichbar. Seine diversen Bauunternehmen im Handelsregister befinden sich entweder in Liquidation oder sind Konkurs gegangen.
Wohnen auf der Baustelle
Nächste Station ist ein Mehrfamilienhaus. Es ist teilweise bereits bewohnt, im Vorgarten steht ein kleines Spielhäuschen aus rotem Kunststoff. Daneben liegen Bauschutt, Röhren, Isolationsmaterial, Gerüste in wilder Unordnung.
Hier sei über lange Zeit am Abend und am Wochenende immer wieder gewerkelt worden. Seit Monaten liege der Bauabfall ums Haus herum. «Die Suva-Vorschriften werden hier weit und breit nicht eingehalten», sagt Rulli.
Mängel, wohin man schaut
Zurück in seinem Büro zeigt der Bauunternehmer Fotos von anderen Baustellen: Arbeiter in Turnschuhen und ohne Helm und Handschuhen, die abends um Viertel nach acht Paletten abladen.
Ein anderes Bild zeigt eine Baugrube mit einer viel zu steil angelegten Böschung, die abzurutschen droht; oder einen Rohbau mit nachträglich eingefügten Stützwänden, weil die mangelhaft konstruierten Grundmauern eingedrückt zu werden drohten.
Konkurrenz ja – aber fair muss sie sein
«Ich möchte eigentlich nicht den Polizisten spielen und andere anschwärzen», sagt Rulli über seine privaten Kontrollfahrten. Doch: «Leider ist das untragbar – da muss man irgendwann etwas unternehmen.»
Er habe nichts gegen Konkurrenz. Aber diese dürfe nicht unlauter sein. Wer unqualifiziertes Personal zu tiefen Löhnen anstelle und die geltenden Vorschriften nicht einhalte, könne billiger offerieren und damit den seriösen Anbietern Aufträge wegschnappen. Das Problem sei «sehr gross» und habe sich in den letzten Jahren zugespitzt.
Der Einfallsreichtum jener Firmen, die das Gesetz umgehen wollen, kennt keine Grenzen.
Wenn Rulli Verstösse sieht, meldet er sie oftmals den zuständigen Behörden und Kontrollinstanzen. «Offenbar ist es aber nicht so einfach, die Verstösse zu belegen», stellt Rulli fest. Für die Kontrollinstanzen sei es im Einzelfall sehr schwierig, die Verantwortlichen zu benennen und ihnen die Verstösse nachzuweisen.
Diese Situation bestätigt auch Guido Schluep von der Gewerkschaft Syna: «Der Einfallsreichtum der Firmen, die das Gesetz umgehen wollen, kennt keine Grenzen», sagt er. Mehr Kontrollen seien schon möglich – aber das koste dann auch mehr Geld.
Bei der Unfallversicherungsanstalt Suva heisst es, man kontrolliere jährlich rund 8000 Baustellen. Letztes Jahr seien auf fast 1500 Baustellen schwerwiegende Mängel festgestellt worden.
In fast 1000 Fällen habe man Baustellen sogar vorübergehend schliessen müssen, bis die Sicherheit wieder gewährleistet worden sei, so die Suva.