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Hickhack um bisherige Regelung Wie viele Stunden Arbeitszeit sind erlaubt?

Die maximale Arbeitszeit von 50 Stunden pro Woche soll gelockert werden. Gewerkschaften und Arbeitgeber sind im Clinch.

Bis zu 70 Stunden in der Woche arbeiten soll für bestimmte Arbeitnehmende, etwa Vorgesetzte, künftig erlaubt sein. Bislang liegt die Grenze bei maximal 50 Stunden. In diesen Tagen hat die Vernehmlassung zu einer entsprechenden Gesetzesänderung begonnen und damit auch ein öffentliches Hickhack. Gewerkschaften wehren sich, Arbeitgeber werben dafür.

Ein Angriff aus dem Bundeshaus auf die Arbeitszeiten
Autor: Paul Rechsteiner Präsident des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes

Der Präsident des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes, Ständerat Paul Rechsteiner (SP/SG), hat auf Dauerkampfmodus geschaltet. Er müsse schon den Lohnschutz beim Hin und Her mit der EU um die flankierenden Massnahmen verteidigen. Und jetzt noch das: «Was wir im Moment erleben, ist unglaublich. Wir erleben nicht nur einen Angriff auf den Lohnschutz aus dem Bundeshaus heraus, sondern jetzt auch noch auf die Arbeitszeiten.»

Mehr Wochenstunden, keine Arbeitszeiterfassung

Zur Debatte stehen zwei Dinge: Zum einen geht es um die wöchentliche Höchstarbeitszeit. Sie soll abgeschafft werden, schlägt die zuständige Kommission des Ständerats vor. Statt den heute maximal 45 oder 50 Stunden pro Woche würde ein Jahresschnitt von höchstens 45 Stunden gelten.

Zum anderen fiele die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung weg. Diese Bestimmung wurde bereits gelockert: Seit zwei Jahren können Arbeitnehmende mit mehr als 120'000 Franken Lohn und einem Gesamtarbeitsvertrag darauf verzichten, ihre Arbeitszeit aufzuschreiben. Nun soll der Kreis erweitert werden: Gelten sollen beide neue Lockerungen für Vorgesetzte und Fachpersonen, die in ihrem Fachgebiet wesentliche Entscheidungsbefugnisse haben, wie es heisst.

Gewerkschaften fürchten gesundheitliche Schäden

Die Gewerkschaften argumentieren, die Änderungen würden zu Gratisarbeit und Gesundheitsschäden führen. Herz-Kreislauf-Krankheiten oder Burn-Outs seien die Folge, pflichtet die Schweizerische Gesellschaft für Arbeitsmedizin bei.

Kein Arbeitgeber ist daran interessiert, dass seine Mitarbeitenden krank zuhause sind.
Autor: Daniella Lützelschwab Ressortleiterin Arbeitsmarkt und Arbeitsrecht beim Arbeitgeberverband

Doch damit würden bloss Ängste geschürt, kontert die Gegenseite. So erwidert beim Arbeitgeberverband Daniella Lützelschwab: «Kein Arbeitgeber ist daran interessiert, dass seine Mitarbeitenden krank zuhause sind. Aber es gibt sehr viele Studien, die zeigen, dass dieses ‹Mitbestimmenkönnen› gerade für die Gesundheit günstig ist.»

Abgesehen davon entsprächen die Lockerungen schlicht den heutigen Gegebenheiten in der Arbeitswelt. «Es geht um das Nachvollziehen einer Realität – wie heute in der Wirtschaft gearbeitet wird. Für einen ganz kleinen Teil, 10 bis 20 Prozent von Leitenden und höheren Mitarbeitenden.»

Dass es nur um 10 bis 20 Prozent der Arbeitnehmenden geht, bestreitet Gewerkschafter Rechsteiner. Rund 40 Prozent aller Beschäftigten seien betroffen, erklärt er. «Man sieht, dass ein bedeutender Teil aller Beschäftigten in unserem Lande den Schutzbestimmungen des Arbeitsgesetzes bei den Arbeitszeiten nicht mehr unterstehen würden.»

Nicht alle Arbeitnehmer auf Gewerkschaftslinie

Die Haltung des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes teilen nicht alle Arbeitnehmer-Organisationen: Jene, die sich in der Plattform der Angestelltenverbände zusammengeschlossen haben, gaben diese Woche bekannt: Bei der Flexibilisierung der Arbeitszeit sei die Ständeratskommission weitgehend ihren Empfehlungen gefolgt.

Die Plattform der Angestelltenverbände zählt 88'000 Angestellte. Der Gewerkschaftsbund um Paul Rechsteiner vertritt 380'000 Mitglieder. Und er bleibt im Kampfmodus: Komme die Vorlage so durch, sei das Referendum sicher, kündigt Rechsteiner jetzt schon an.

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