Wie klassische Investoren spekulieren auch Grosskonzerne darauf, dass aus den Start-ups, in die sie investieren, einmal erfolgreiche Unternehmen werden. Noch wichtiger ist aber – und das ist das Besondere an diesen Beteiligungen: Die etablierten Konzerne wollen, dass die Jungunternehmen ihnen zeigen, wie sich Märkte ändern und wo neue Geschäftsfelder entstehen: ein Blick in die Kristallkugel also.
Der Versicherer Helvetia hat sich zum Beispiel Anteile von verschiedenen Mobilitäts-Start-ups gesichert, darunter ein Start-up, das Drohnentaxis in die Luft bringen will, oder ein Start-up, das eine neue Carsharing-Applikation betreibt. Stefano Saeger managt diese Investitionen.
Er sagt: «Das ist ein Bereich, in dem wir einfach wahnsinnig viel Veränderung sehen.» Veränderungen, die auch das Versicherungsgeschäft beeinflussen. Er spricht von «komplett anderen Arten der Mobilität, die wir heute noch nicht kennen, die aber einen unmittelbaren Impact auf einen Sachversicherer haben können».
Kooperation ist das Zauberwort
Helvetia versichert heute sehr viele Autos für Privatpersonen. Die Frage sei deshalb, so Saeger: «Was passiert als Nächstes und wie muss man sich aufstellen, um für diesen Shift in der Mobilität gewappnet zu sein?» Hier ist Kooperation das immer wieder genannte Zauberwort.
Das gilt auch für Helvetia: «Optimalerweise ergibt es sich, dass unsere Businesses einen engen Kontakt zu diesen Start-ups pflegen und mit ihnen Dinge entwickeln, sei es für das Start-up oder für Helvetia.»
Portfolios mit mehreren Start-ups
Durch gemeinsame Projekte einen Blick auf sich neu entwickelnde Technologien und Märkte erhaschen: Das ergebe auf dem Papier Sinn, sei aber oft mehr Wunschdenken als Tatsache, heisst es von verschiedenen Start-up-Expertinnen und Investoren. Trotzdem investieren Konzerne immer mehr sogenanntes Corporate Venture Capital in Start-ups.
Der Druck, neue digitale Trends nicht zu verpassen, führe unter anderem zu diesem Investitionsschub, sagt Thomas Heimann vom Verband für Unternehmensfinanzierung Seca, der eine Studie dazu gemacht hat. «Die Technologien, das Kundenverhalten entwickeln sich extrem rasant. Da muss man täglich Schritt halten. Corporate Venture ist ein Weg, das effizient in einem Portfolio von mehreren Start-ups abzudecken.» Sprich: Geld, das in Start-ups investiert wird, ist für Konzerne Teil der Innovation.
Investiert wird dabei international. «Da gibt es grundsätzlich keine Grenzen», so Heimann. «Man sucht die erfolgversprechendsten Start-ups aus, die global auf dem Markt führend sein werden oder könnten.» So investieren vor allem ausländische Konzerne in hiesige Start-ups.
Ein langer Atem ist gefordert
Die Schweiz sei politisch und wirtschaftlich stabil. Das seien gute Rahmenbedingungen für Start-ups, sagt Amanda Chan, die für einen taiwanesischen Finanzkonzern in der Schweiz ein neues Geschäftsfeld im Gesundheitsbereich aufbaut. Deshalb investiere man gerade hier.
Grundsätzlich gilt für solche Investitionen: Der Erfolg ist erst in einigen Jahren messbar, wenn überhaupt. Denn die meisten Start-ups scheitern.
Renditen fallen in der Regel nach fünf bis zehn Jahren an. Und ob der Blick in die Kristallkugel geholfen hat und ein neues Geschäft entsteht, zeigt sich meist noch später. Es braucht also viel Risikobereitschaft und Geduld. Etwas, das die Grosskonzerne offenbar durchaus mitbringen. Laut einer Umfrage von Seca wollen die meisten von ihnen in den nächsten Jahren noch mehr Geld in Start-ups stecken.