Tausende Menschen haben am Samstag Nachmittag am Rande der Internationalen Automesse IAA in München demonstriert – für eine nachhaltige Mobilität. Gleichzeitig gibt sich die Autoindustrie an der IAA gerade so umweltengagiert wie selten: «Unser Unternehmen ist verantwortlich dafür, die Schadstoffe so schnell wie möglich zu reduzieren», sagte VW-Chef Herbert Diess diese Woche.
Noch stehen die grossen Elektroauto-Modelle im Mittelpunkt der Messe. Vielleicht das Teuerste: ein Maybach von Mercedes, der bald für geschätzte 250'000 Franken auf den Markt kommen soll.
Kritische (Klima-)Jugend
Unter den autobegeisterten Besuchern der Messe gibt es auch skeptische Stimmen, was die Bedeutung von Elektroautos anbelangt, wie eine Umfrage von SRF vor Ort zeigte. Dies vor allem wegen der Herkunft des Stroms. «E-Autos sind eine Superentwicklung, aber wenn sie nicht mit Öko-Strom gespiesen werden, sondern von AKWs oder aus Kohle, dann ist das schlecht», sagen zwei junge Frauen.
Autos sind für Jugendliche immer weniger ein Statussymbol. Diesem gesellschaftlichen Wandel versucht die Autoindustrie, auch mit weiteren Massnahmen, vermehrt Rechnung zu tragen: der Möglichkeit, Fahrzeuge zu mieten statt zu besitzen.
Ein neues Smart-Modell – eine Kooperation von Mercedes und dem chinesischen Hersteller Geely, auf dem Markt ab 2023 – soll so angeboten werden, sagt Smart-Europachef Dirk Adelmann. «Smart war Vorreiter in der Shared-Economy im Autosektor. Auch das neue Auto werden wir über Abomodelle und auf Share-Plattformen anbieten.»
Und auch über den Preis versucht die Industrie, E-Autos einer breiteren Nutzergruppe zugänglich zu machen. Ein Trend, der in München besonders sichtbar wurde: Verschiedene Hersteller sind in den Startlöchern mit kleineren und damit auch günstigeren E-Autos. «Wir wollen Elektromobilität für alle», sagt VW-Markenchef Ralf Brandstätter und präsentiert das Konzeptauto ID Life, das für 20'000 Euro verkauft werden soll – allerdings erst ab 2025.
Engpässe bei Vorprodukten bereiten Sorgen
Der Zürcher Unternehmer Wim Ouboter und seine Söhne wollen mit einem Mini-Elektroauto mitmischen. Mit einem zwei-plätzigen Gefährt, dem Microlino. Ende Jahr soll die Produktion in Italien beginnen. Nächstes Jahr wolle man 3000 Stück herstellen. Ouboter sieht sein Microlino als ideales Gefährt für die Stadt – die Reichweite der Batterie beträgt maximal 230 Kilometer.
Das Fahrzeug soll 14'000 Franken kosten. Doch Wim Ouboter klagt über Rohmaterialpreise, die sich verdreifacht hätten – vor allem für Stahl und Aluminium. Dies könnte ihm die Rechnung versalzen.
Auch Computerchips und Batteriezellen seien Mangelware. «Wir als Newcomer sind zuunterst in der Nahrungskette. Wir müssen richtig kämpfen, damit die Lieferanten uns zu Preisen beliefern, die ein günstiges Fahrzeug auch verkraften kann.»
«Elektro ergibt nicht überall Sinn»
An der Messe treffen wir Johann Tomforde: Designer des Smart-Autos und selbsternannter Elektropionier. An der IAA tritt er als Mentor eines israelischen Startups auf, das ein Mini-Elektroauto anpreist: Der «City Transformer» kann zum Parkieren von 1.5 auf 1 Meter Breite zusammengestossen werden.
Der Elektroantrieb ergäbe vor allem für Kurzstrecken viel Sinn, sagt Tomforde. «Auf Langstrecken gibt es andere Antriebe. Dort würde ich dem Wettbewerb der Technologien freien Lauf lassen».
Welcher Antrieb sich durchsetze, will er nicht voraussagen, doch es sei viel Bewegung in die Sache gekommen durch die Ankündigung «Zero Emission». Das mache ihn zuversichtlich für die Gesellschaft und für ein besseres Klima.