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Illegale Preisabsprachen Auto-Kartell: Was bereits bekannt ist

Die deutsche Autoindustrie steht unter Kartellverdacht. Wie reagieren die Autobauer und wie geht es weiter?

Was ist bisher bekannt? Vertreter von VW, Audi, Porsche, BMW und Daimler sollen sich seit den 90er-Jahren über Technik, Kosten und Zulieferer verständigt haben. Das berichtete der «Spiegel» am Freitag. Ein Autokartell habe den Unternehmen erlaubt, die Preise für Kunden hoch zu halten, also Auto teurer zu verkaufen als eigentlich nötig, sowie Preise für Zulieferteile gemeinsam tief zu halten.

Von wo stammt der Verdacht? Der «Spiegel» stützte seine Darstellung auf einen Schriftsatz, den VW auch für Audi und Porsche bei den Wettbewerbshütern eingereicht haben soll. Daimler habe ebenfalls eine «Art Selbstanzeige» hinterlegt. Konkreter Hintergrund der neuen Vorwürfe sind dem Bericht zufolge Ermittlungen wegen des Verdachts auf Absprachen von Stahlpreisen. Im Sommer 2016 hatte es Durchsuchungen gegeben.

Wie geht es weiter? Die EU-Kommission und das deutsche Bundeskartellamt prüfen derzeit, ob die Autohersteller gegen das Kartellverbot verstossen haben. Es gilt: Unternehmen dürften ihr Verhalten am Markt grundsätzlich nicht koordinieren. Sollte sich der Verdacht bewahrheiten, drohen Milliardenstrafen. Deutschlands oberster Konsumentenschützer Klaus Müller rechnet zudem mit zehntausenden Verfahren in denen Autokäufer Schadenersatz für überteuerte Fahrzeuge verlangen könnten. Kunden, geprellte Zulieferer, Händler, Behörden im In- und Ausland – die Liste derjenigen, die sehr hohe Forderungen stellen könnten, ist lang.

Wie reagieren die betroffenen Unternehmen? Bis jetzt haben die deutschen Autobauer noch nicht viel zu den Vorwürfen gesagt. Auch keine wirklichen Dementis waren bis jetzt zu vernehmen, oder nur halbe. BMW etwa sagte, man habe sich abgesprochen – aber nicht um Preise zu drücken, sondern um eine gemeinsame Betankungsinfrastruktur für Elektroautos aufzubauen. Daimler sprach von «Spekulationen», VW-Chef Müller von «Sachverhaltsvermutungen». Die Betriebsräte, als die Mitarbeiter der Unternehmen fordern derweil Klarheit von ihren Vorgesetzten. Ein Sprecher von BMW sagte am Sonntag: «Der Vorstand ist in der Pflicht, das Aufsichtsgremium umfassend zu informieren. Das ist bislang nicht geschehen.»

Was hat das Ganze mit der Diesel-Affäre zu tun? Falls es Absprachen über zu kleine Tanks für die sogenannte AdBlue-Harnstofflösung gegeben hat, könnte es auch eine Verbindung zur Diesel-Affäre geben. AdBlue kann Stickoxide aus Abgasen effizienter entfernen. BMW stellte mit Blick auf die AdBlue-Tanks jedoch klar: «Den Vorwurf, dass aufgrund zu kleiner AdBlue-Behälter eine nicht ausreichende Abgasreinigung in Euro-6-Diesel-Fahrzeugen der BMW Group erfolgt, weist das Unternehmen entschieden zurück.»

Wie reagiert die Politik? Nach den Grünen will nun auch die Linksfraktion im Bundestag eine rasche Sondersitzung des zuständigen Verkehrsausschusses einberufen. «Der Verkehrsminister muss erklären, was er im Zusammenhang mit den ungeheuerlichen Vorwürfen gegen die führenden deutschen Automobilhersteller zu tun gedenkt», erklärte etwa Herbert Behrens, Verkehrsexperte der Fraktion und Ex-Chef des Untersuchungsausschusses zum VW-Abgas-Skandal am Montag. SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz nutzt das Thema um Wahlkampf zu machen. Er fordert Transparenz im Namen der Konsumenten und Mitarbeiter der Autokonzerne.

Was passiert, wenn sich der Verdacht bewahrheiten würde? Dies käme einem riesigen Vertrauensverlust gleich, sagt SRF-Wirtschaftsredaktor Klaus Ammann. Ähnlich wie bei den Banken nach der Finanzkrise hätte die Autobranche dann mit einem riesigen Imageproblem zu kämpfen. Die Dieselkrise alleine wäre noch verkraftbar gewesen, die Absprachen könnten nun aber fatale Folgen für die deutsche Autoindustrie und indirekt für die ganze Volkswirtschaft haben. Mit rund 800'000 Beschäftigten ist die Industrie die umsatzstärkste des Landes. Und exportstark: Drei von vier Autos aus Deutschland werden ins Ausland verkauft. Die Börsen haben bereits reagiert und werden es weiter tun. Ein rasches Ende der Krise ist nicht in Sicht, schätzt Ammann die Lage ein.

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