Für viele ist sie eine Unbekannte: Die Schweizer Fertigungsindustrie. Unternehmen, die zum Beispiel Werkzeug- oder 3D-Druck-Maschinen herstellen. An Innovation mangelt es nicht, wie der Besuch an der Fachmesse Innoteq in Bern zeigt.
«Wir decken viele interessante Zukunftsbranchen ab», sagt Frank Fehlmann, Inhaber des gleichnamigen Familienunternehmens, das solche Maschinen herstellt: Für Produkte in der Medizinaltechnik, Konsumgüter oder auch die Autobranche.
Trotzdem glaubt die Branche, sie habe ein Imageproblem. Eine Studie der Universität St. Gallen bringt zutage, dass sich 77 Prozent der befragten Unternehmen – vor allem KMU – nicht als attraktiv für Arbeitnehmende sähen.
Zu tiefe Löhne
Die Gründe seien unter anderem bei den Löhnen und der fehlenden Flexibilität des Homeoffice zu finden, meint Oliver Gassmann, Professor für Technologie- und Innovationsmanagement an der Universität St. Gallen.
Die herstellenden Betriebe dürften mehr Selbstvertrauen haben.
Die Löhne seien zwar nicht so hoch wie bei Banken, sagt Unternehmer und Start-up-Investor Jürg Schwarzenbach, doch die herstellenden Betriebe dürften mehr Selbstvertrauen haben, denn sie seien das Rückgrat der Schweizer Wirtschaft. Die Branche biete zudem gute Weiterentwicklungsmöglichkeiten, so Schwarzenbach.
«Junge Fachkräfte, die bei uns eine moderne automatisierte Werkzeugmaschine bedienen, die mehrere 100'000 Franken kostet, haben eine hohe Verantwortung, die auch entsprechend entlöhnt wird», sagt Frank Fehlmann dazu.
Patriarchen an der Macht?
Auch veraltete Führungsstile könnten eine Rolle spielen, dass sich die Branche nicht als attraktiv für Arbeitnehmende sieht, «dass noch sehr patriarchisch geführt wird», sagt Oliver Gassmann.
Die Branche wandle sich gerade stark, sagt dazu Stefan Brupacher, Direktor des Branchenverbands Swissmem. «Was wir aber nicht wollen, sind die neuen grossen Strukturen von Pharma, Banken und Versicherungen. Wir haben oft familiengeführte Firmen, die mit eigenem Kapital sicherstellen, dass es der Firma gutgeht.»
Fakt ist aber: Die Branche hat Probleme, fähigen Nachwuchs zu finden, wie Brupbacher bestätigt. Jedes Jahr könnten acht bis neun Prozent der Lehrstellen nicht besetzt werden. «Das hängt damit zusammen, dass die junge Generation nicht weiss, welch sensationelle Technologie und Produkte in unseren Firmen hergestellt werden.»
Keinen Bock auf Arbeit?
Es gebe aber noch andere Gründe für die Imagesorgen der Branche, sagt Markus Rogenmoser, Gründer des Feinmechanik-Unternehmens Piranha Clamp. Er kennt die Branche seit Jahrzehnten und hat sein Unternehmen nun dem Sohn übergeben.
Die Jungs möchten mehr Freizeit – nicht arbeiten.
Er selbst habe bei der Akquirierung von Nachwuchs gespürt, dass die Bereitschaft, mehr zu leisten, nicht mehr da gewesen sei. «Die Jungs möchten mehr Freizeit – nicht arbeiten», so Rogenmoser.
Moderner als man denkt
Die Industrie werde von vielen als altbacken und dreckig wahrgenommen, sagt Yannick Berner, Digital- und Marketingchef des Maschinenbauers Urma. Dabei zeigt gerade das Familienunternehmen aus Rupperswil den Wandel in der Branche. Urma produziert Maschinen und Werkzeugsysteme, unter anderem für die Elektromobilität. «Die Menschen sind oft etwas überrascht, wenn sie bei uns vorbeikommen und sehen, dass es gar nicht dreckig, sondern sehr modern ist.»
Wer genau hinschaut, sieht, wie bedeutend die Fertigungsindustrie ist. Jetzt muss die Botschaft auch noch bei den Jungen ankommen.