Phionah Atuhebwe versucht, zumindest ein bisschen Optimismus zu verbreiten: «Im letzten Monat hat Covax über zwölf Millionen Impfdosen an 24 afrikanische Länder geliefert», sagt die oberste Impfbeauftrage der WHO für Afrika. Das sei mehr als in den drei Vormonaten zusammen.
In einem Kontinent mit mehr als 1,3 Milliarden Menschen sei das aber ein Tropfen in einem Ozean. Mit der dritten Welle und deutlich ansteckenderen Covid-Varianten bleibe Afrika dem Virus gefährlich ausgeliefert.
Mit der dritten Welle und ansteckenderen Covid-Varianten bleibt Afrika dem Virus gefährlich ausgeliefert.
Das zeigt einmal mehr die Ungerechtigkeit bei der Verteilung: Von den vier Milliarden bislang weltweit ausgelieferten Dosen gingen 80 Prozent an reiche Länder – obwohl sie weniger als die Hälfte der Weltbevölkerung stellen.
Die letztes Jahr nach dem Ausbruch der Pandemie gestartete globale Impfinitiative Covax sollte die Ungerechtigkeit verhindern. Covax sei angetreten als Gesamteinkaufsmechanismus, um die Impfstoffe dann gerecht zu verteilen, erinnert Meike Schwarz von Ärzte ohne Grenzen.
Die Idee hinter der Multi-Billionen-Dollar-Einkaufsmacht: Staatliche und private Geldgeber zahlen in einen Fonds, der mit gebündelter Marktmacht Impfstoffe günstiger bei Pharmakonzernen einkauft. Damit auch die ärmsten Länder schnell Impfstoff erhalten.
Grosser Rückstand
Doch Covax kann das Versprechen nicht halten: «Covax sitzt aktuell praktisch auf dem Trockenen. Es gibt schlicht keine Impfstoffe, die verteilt werden können», so Schwarz. Nur knapp ein Viertel der dieses Jahr geplanten 640 Milllionen Dosen ist bisher in armen Ländern angekommen.
Covax sitzt aktuell praktisch auf dem Trockenen. Es gibt schlicht keine Impfstoffe, die verteilt werden können.
Ob das Ziel noch erreicht werden kann, ist offen. «Man darf damit rechnen, dass es mit Covax jetzt schneller vorwärtsgeht. Aber Covax ist klar noch zu langsam. Das muss sich beschleunigen», sagt auch Heiner Sandmeier vom Pharmaverband Interpharma.
Gesundheitsexpertin Amanda Glassman von der US-Denkfabrik Center for Global Development in Washington stellt fest: «Zu Beginn der Pandemie hatte Covax zu wenig Geld, auch weil es schlecht organisiert war.» Als sich reiche Länder wie die USA, Grossbritannien oder die Schweiz früh und teuer Zugang zu Impfdosen sicherten, als diese noch nicht mal entwickelt waren, konnte Covax nicht mithalten.
Als sich reiche Länder frühzeitig und teuer Zugang zu Impfdosen sicherten, als diese noch nicht mal entwickelt waren, konnte Covax nicht mithalten.
Als dann mehr Geld da war, setzte Covax ausschliesslich auf Astra-Zeneca-Impfstoffe, weil es für arme Länder einfacher handhabbar schien als die neuen mRNA-Impfungen. Ebenso risikoreich war, dass Covax die Impfstoffe dann ausschliesslich in Indien produzieren liess. Doch Indien stoppte den Export, als dort die Covid-Fälle explodierten. Covax sass auf dem Trockenen – ohne Plan B, so Glassman.
Lieferprobleme bleiben
Inzwischen gäbe es an sich genug Impfstoffe für die ganze Welt, doch jetzt hapert es laut Glassman bei der Lieferung: «Wenn die Impfstoffe erst nach der grossen Infektionswelle ankommen wie jetzt in Afrika, nützen sie niemandem mehr.»
Wenn die Impfstoffe erst nach der grossen Infektionswelle ankommen wie jetzt in Afrika, nützen sie niemandem mehr.
Dass es trotz grösseren Angebots noch immer keine gerechte Verteilung gibt, dürfte laut Glassman auch daran liegen, dass viele Industrieländer im Geheimen bilaterale Verträge mit den Pharmafirmen machen. Mutmasslich auch zu höheren Preisen als jene, die Covax zahlt.
Angesichts der riesigen Impfstoff-Lücke appellierte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus an die Industrienationen, auf eine dritte Impfung bis Ende September zu verzichten. Bereits im Mai thematisierte er die Ungleichheit. Damals fielen in reichen Ländern über 50 Impfdosen auf 100 Einwohner. Heute sind es 100 Dosen pro 100 Einwohner.