Der Fachkräftemangel treibt die Schweizer Wirtschaft schon einige Jahre um. Dringend gesucht sind Ingenieurinnen, Techniker, Ärztinnen oder Informatiker.
Eine neue Studie des Stellenvermittlers Adecco in Zusammenarbeit mit dem Stellenmarkt-Monitor des Soziologischen Instituts der Universität Zürich, deren Zahlen «10vor10» bereits vorliegen, zeigt: In einzelnen Regionen hat sich die Fachkräfte-Problematik weiter verschärft, ganz besonders in der Ostschweiz.
Fachkräftemangel in technischen Berufen
In Arbon am Bodensee sucht die Otto Keller AG erfolglos nach Fachkräften. Denn ausgebildete Heizungs-, Lüftungs- und Klimatechniker sind in der Ostschweiz Mangelware. Geschäftsleiter Dennis Reichardt berichtet: «Wir inserieren in der Zeitung, ohne dass wir Resonanz erfahren. Wir haben im Internet Stellen ausgeschrieben, auf der Homepage Stellen ausgeschrieben, auf der Strasse Stellen ausgeschrieben». Doch niemand melde sich auf die Anzeigen.
Der Fachkräftemangel-Index misst seit 2016, wie viele offene Stellen pro Berufsgruppe ausgeschrieben sind und stellt sie den Stellensuchenden in diesen Berufen gegenüber. Gibt es mehr offene Stellen als Stellensuchende, deutet dies auf einen Fachkräftemangel hin. Anschliessend werden die unterschiedlichen Berufe gewichtet an ihrem Beschäftigungsanteil und ein regionaler Fachkräfte-Mangel-Index mit Basis im Jahre 2016 erstellt.
Gesamtschweizerisch ist dieser über die letzten dreiJahre um 22 Prozent gestiegen. Aber die regionalen Unterschiede sind gross. Am meisten verschäft hat sich das Fachkräfte-Problem in der Ostschweiz. Dort stieg der Index in drei Jahren um knapp 50 Prozent.
Viele Gründe dafür
Die Studienautorin, Adecco Schweiz, sieht zwei Hauptgründe. Geschäftsleiterin Nicole Burth: «Zum Ersten sind sehr viel mehr Stellen geschaffen worden, weil in der Ostschweiz die Konjunktur sehr positiv verlaufen ist in den letzten zwei Jahre.» Als weiterer Grund nennt Burth die vergleichsweise tiefere Arbeitslosigkeit in der Ostschweiz.
Die Ostschweizer Wirtschaft boomt – auch in St. Gallen bei der Digitalagentur Namics sind die Auftragsbücher gut gefüllt. Doch Informatik-Fachkräfte in die Ostschweiz zu locken, sei sehr schwierig, sagt Betriebsleiter Michael Pertek.
Weniger attraktiv
Denn man könne kaum mit den attraktiven Regionen wie Zürich konkurrieren. In der Ostschweiz, in der zwar zahlreiche Informatik-Firmen angesiedelt seien, würden die grossen Marken fehlen. Zudem könne man in St. Gallen auch in Bezug auf die Entlöhnung und «Internationalität» nicht mit anderen Regionen mithalten.
Was also tun, fragt man sich bei Namics. Leute aus anderen Regionen zu rekrutieren, sei zu schwierig. Stattdessen wolle man direkt von den Ostschweizer Hochschulen profitieren, viele Berufseinsteiger rekrutieren und diese selber ausbilden. «Und entwickeln die Leute dahin, dass sie Fachkräfte werden», so Pertek.
Trübe Aussichten
Auch die Gebäudetechniker in Arbon setzen auf die eigene Lehrlingsausbildung. Doch Dennis Reichhardt dämpft die Hoffnungen: «Die meisten Leute gehen in einen Beruf, bei dem sie keine dreckigen Finger bekommen. Und gegen das kämpfen wir an.»