Der Handlungsbedarf sei hoch, sagt der Stadtzürcher Sozialvorsteher Raphael Golta. In den letzten 30 Jahren habe sich nicht nur in Zürich, sondern in der ganzen Schweiz gezeigt, dass Leute mit geringen Qualifikationen besonders hohe Hürden im Arbeitsmarkt hätten.
Golta sagt, dass Geringqualifizierte häufiger arbeitslos würden. «Sie stellen einen grossen Teil der Sozialhilfebezüger in der Stadt Zürich. Sie verdienen relativ tiefe Löhne, selbst im wirtschaftlich starken Zürich. Und sie profitieren in ihrem Leben kaum von Weiterbildungen.»
Früherkennung für Geringqualifizierte
Genau hier will die Stadt Zürich mit ihrem neuen Projekt ansetzen. Sie will eng mit Schulen, Sozialämtern und Arbeitgebern zusammenarbeiten, um die Geringqualifizierten rascher zu erkennen.
Das können junge Leute sein, die keinen Berufsabschluss haben, Angestellte, die wegen ihrer geringen Qualifikation auf dem Arbeitsmarkt besonders gefährdet sind und Leute, die Sozialhilfe beziehen und wenig Chancen auf eine neue Stelle haben.
Menschen, deren Existenz gefährdet ist, werden nicht als Erstes selber Geld in die Hand nehmen um sich weiter zu qualifizieren.
Hier gelte es, individuelle Weiterbildungslösungen zu finden, so Golta. Er denkt an Lösungen, die die Stadt Zürich über Stipendien bezahlt. Wenn bekannt sei, was eine sinnvolle Massnahme wäre, dann müsse Zürich auch bereit sein, diese via Stipendium mitzufinanzieren.
«Gerade Menschen, die einen tiefen Lohn haben, die von Arbeitslosigkeit bedroht sind und deren Existenz gefährdet ist, werden nicht als Erstes selber Geld in die Hand nehmen um sich weiter zu qualifizieren. Das ist auch eine Aufgabe des Staates.»
Die Stadt Zürich will in einer ersten Phase einen Betrag von gut fünf Millionen Franken dafür in die Hand nehmen. Dass der Staat mit Stipendien Weiterbildungen finanziert, ist ein neuer Ansatz im Schweizer Stipendienwesen.
Christoph Eymann, Präsident der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (Skos), bezeichnet das Stadtzürcher Engagement als vorbildlich. «Das Projekt bekämpft die Ursachen. Man schaut, ob Leute innerhalb ihrer Berufstätigkeit eine Weiterbildung brauchen, um die notwendige Qualifikation zu erwerben. Das ist beispielhaft, das gibt es so noch nirgends.» Eymann hofft, dass nun weitere Städte einen solchen Ansatz übernehmen und Geringqualifizierte gezielt fördern.
Eine Million pro reintegrierter Person
Weniger reiche Städte und Gemeinden können sich das allerdings kaum leisten. Doch SP-Nationalrat Matthias Aebischer, Präsident des Schweizerischen Verbandes für Weiterbildung, findet, sie müssten es sich leisten um auf lange Sicht dann Geld zu sparen. «Jeder Sozialhilfebezüger, den man dank Weiterbildung mit 25 wieder in die Arbeitswelt integriert und der danach bis 65 arbeiten kann, spart der Gemeinde eine Million.»
Nun müsse aber auch der Bund seinen Beitrag dazu leisten, so Aebischer. Heute finanziert der Bund den gesamten Weiterbildungsbereich nämlich erst mit sieben Millionen Franken. Anfang nächsten Jahres legt Bildungsminister Guy Parmelin die Bundesratsbotschaft zur Förderung der Bildung vor.
Der Bund will sein Budget dafür erhöhen
Aebischer geht davon aus, der Bund darin eine deutliche Erhöhung der finanziellen Mittel für die Weiterbildung bekannt gibt. Die Rede ist von 40 Millionen Franken. Ein Teil davon soll helfen, dass gut 70’000 Geringqualifizierte in der Schweiz einen Weg aus der Sozialhilfe zurück ins Arbeitsleben finden.