SRF: Urs Hölzle, Google weiss alles und sammelt auf allen Kanälen. Glauben Sie mir, dass Sie mir auch etwas unheimlich sind?
Urs Hölzle: Ich glaube, es ist gut, sich damit auseinanderzusetzen. Viel Information ist zwar nützlich. Aber sie führt auch zu einer Ungewissheit, was mit diesen Daten passiert. Einer der Vorteile der Cloud ist, dass sie Datensicherheit viel besser gewährleisten kann. Wenn Sie Daten in einem konventionellen System haben, etwa einem Laptop, können sie viel eher gehackt werden. Sie hören es ja überall in den Nachrichten, dass Firmen angegriffen werden.
Aber verstehen Sie die Ängste der Leute, wenn so viele Daten gesammelt werden?
Ja, ganz sicher. Die Leute verstehen oft nicht, was es bedeutet. Wenn Sie bei Google eingeloggt sind, können Sie oben rechts einen «Privacy Check-up» und einen «Security Check-up» machen. Dort können Sie sehen, welche Daten wir über Sie haben. Und es gibt Ihnen die Kontrolle, etwas aus- oder einzuschalten. Diese Transparenz ist wichtig.
Aber das maschinelle Lernen geht immer weiter in die Richtung, dass es immer mehr von der Historie weiss und somit das Verhalten der Nutzer besser analysieren kann.
Das maschinelle Lernen hat sich besonders in ganz anderen Bereichen sehr entwickelt. Etwa in der Bilderkennung oder der Spracherkennung. In den letzten Jahren ist es immer einfacher geworden, mit seinem Handy zu sprechen, und das wird perfekt erkannt. Es eignet sich besonders für die Analyse solcher unstrukturierter Daten – also nicht unbedingt Text, sondern Pixel oder Sound.
Mit gezielter Werbung sehen Sie zumindest Dinge, die Sie interessieren
Jetzt haben Sie all diese Daten. Was werden Sie damit machen? Wie lautet Ihre Vision?
Es gibt ja zwei verschiedene Arten von Daten. Das eine sind die Daten, die Sie selbst verwalten; Ihre E-Mails, Ihre Fotos und so weiter. Die behalten wir natürlich nur solange, wie Sie sie behalten wollen. Die anderen sind die impliziten Daten, die «Logs». Die meisten davon behalten wir zwischen 9 und 15 Monaten, und danach löschen wir sie. Das steht auch in den «Privacy Check-ups» – und auch diese können Sie gezielt selbst löschen.
Im Silicon Valley will man ja gerne die Welt verbessern. Als Konsument könnte man aber denken: Wenn etwa Google weiss, was ich einkaufe, was ich trage, welche Musik ich höre und mir dann noch gezielt Werbung zeigt – ist da noch viel von dieser Anfangs-Ideologie übrig?
Ja. Für jede Technologie gibt es viele verschiedene Anwendungen. Und das Internet heute würde ohne Werbung nicht funktionieren. Denn für all die Inhalte, die Nutzer gratis bekommen, muss es irgendein «Revenue Model» geben. Und gezielte Werbung ist besser als nicht gezielte. Dann sehen Sie zumindest Dinge, die Sie interessieren. Das Modell hilft Millionen von Firmen, zu bestehen. Google zahlt jedes Jahr mehr als zehn Milliarden Dollar (Anm der Redaktion: anders als im Video-Interview) aus an Besitzer von Webseiten.
Das Interview führte Patrizia Laeri.