Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat seine Wachstumsprognose für die USA leicht nach unten korrigiert. Er geht davon aus, dass die Wirtschaft in den USA dieses Jahr um rund 2.6 Prozent wachsen wird und nicht um 2.7 Prozent, wie noch im April angenommen. Doch auch wenn diese Prognose eintrifft, wächst das Bruttoinlandprodukt der USA immer noch deutlich stärker als das anderer hoch entwickelter Volkswirtschaften, etwa der Eurozone, Japans oder Grossbritanniens.
Neben der wirtschaftlichen Abkühlung sieht der IWF vor allem ein Problem bei der Inflation: Diese ist in den USA immer noch höher, als sie sein sollte. Das stellt die US-Zentralbank FED, aber auch die Politik vor grosse Herausforderungen, insbesondere jetzt, wenige Monate vor den Präsidentenwahlen.
Von der Pandemie befördert
Die Inflation schien jahrelang fast ein Relikt aus vergangenen Zeiten zu sein. Doch dann kam Corona und brachte das globale Wirtschaftsgefüge durcheinander. Als sich die Pandemie dem Ende zu neigte, begannen die Menschen wieder zu konsumieren. Weil aber viele Lieferketten nicht mehr richtig funktionierten und das Personal in vielen Unternehmen knapp war, überstieg die Nachfrage das Angebot. Gefördert wurde diese Entwicklung in den USA auch durch grosszügige Zahlungen der Regierung an ihre Bürger mit dem Ziel, die Wirtschaft zu stimulieren.
Die Preise stiegen und die USA schlitterten in eine waschechte Inflation – mit einer Steigerung des Preisniveaus um bis zu 9 Prozent innerhalb eines Jahres. Viele Menschen konnten und können sich plötzlich deutlich weniger leisten. So gaben in einer gestern von der «Financial Times» veröffentlichten Umfrage 80 Prozent der Befragten in den USA an, die Inflation sei für sie der Hauptgrund für ihre finanziellen Probleme.
Natürlich gab die US-Zentralbank Gegensteuer und erhöhte die Zinsen in rasantem Tempo. Das zeigte Wirkung: Die Inflation ging deutlich zurück und dies ohne, dass die Wirtschaft in eine Rezession schlitterte oder die Arbeitslosigkeit in den USA in die Höhe schnellte. Doch die letzten Monate haben gezeigt: Die Inflation hält sich hartnäckiger als gedacht, insbesondere weil die Preise im Dienstleistungsbereich weiter steigen. Die Ökonomen des Internationalen Währungsfonds rechnen damit, dass die Inflation erst Ende des nächsten Jahres wieder im Zielbereich liegen wird. Das ist eine Herausforderung für die US-Zentralbank: Senkt sie die Leitzinsen zu früh, könnte die Inflation wieder ausser Kontrolle geraten, lässt sie die Zinsen zu lange hoch, droht im schlimmsten Fall eine Rezession.
Wählende trauen Trump mehr zu
Die hartnäckige Inflation ist laut Umfragen aber auch ein Problem für Präsident Joe Biden. Denn viele Wählerinnen und Wähler bringen die Preissteigerungen mit seinem Namen in Verbindung. Dabei fördert die bereits erwähnte Umfrage der «Financial Times» Interessantes zutage: Obwohl die Inflation in den letzten Monaten zurückgegangen ist, sagen fast 80 Prozent der Befragten, sie sei gestiegen. Die gefühlte Inflationsentwicklung unterscheidet sich also beträchtlich von der tatsächlichen.
Und die Umfrage zeigt: Wirtschaftspolitisch trauen viele Wählerinnen und Wähler Donald Trump mehr zu als Joe Biden. Der IWF äussert sich freilich nicht zu den Wahlprogrammen der beiden Präsidentschaftsanwärter. Er weist aber nüchtern darauf hin, dass zunehmender Protektionismus, zum Beispiel in Form von Zöllen, die Preise weiter in die Höhe treiben könnte.