Seit anderthalb Jahren ist Verena Looser Entwicklungschefin von «New Roots». Die 41-Jährige ist ein Glücksfall für die vegane Molkerei in Oberdiessbach im Emmental: Sie hat in Biotechnologie doktoriert und ist obendrein gelernte Käserin. Eine ideale Kombination für jemanden, die dabei ist, Halbhartkäse aus pflanzlichen Rohstoffen zu entwickeln.
Pflanzliche Produkte müssen gleich funktionieren wie herkömmliche Produkte, die man kennt.
Verena Looser sagt: «Das hilft auf jeden Fall, weil ich sowohl die Perspektive des traditionellen Käsemachens habe wie auch die wissenschaftliche Perspektive auf pflanzenbasierten Käse und das verknüpfen kann.» Zugute kämen ihr auch Gefühl und Erfahrung, wie sich das Material verhalte.
Pflanzliche Proteine reagieren anders
Aus Pflanzen Halbhartkäse herzustellen, ist eine knifflige Sache, denn pflanzliche Proteine reagieren anders als das Kasein der Kuhmilch. Dieses hat einzigartige Eigenschaften: Es sorgt dafür, dass Kuhmilch beim Käsen eindickt. Der sogenannte Bruch entsteht, der in Formen gefüllt und zu Laiben gepresst werden kann. Mit pflanzlichen Proteinen ist es dagegen ungleich schwieriger, Festigkeit, Schmelzfähigkeit oder Geschmack herkömmlicher Halbhartkäse zu erreichen.
Doch weshalb soll ein pflanzlicher Käse überhaupt wie ein herkömmlicher Käse schmecken? Konsumentinnen und Konsumenten müssten verstehen, wofür man ein Produkt brauche, sagt Verena Looser.
«Ich glaube, wir sind momentan in einer Phase, wo es wichtig ist, dass pflanzliche Produkte gleich funktionieren wie die konventionellen Produkte, die man kennt. Die Leute wissen, was man mit einem Joghurt macht, was man mit einem Käse macht, wie man die isst. In einer späteren Phase, wenn pflanzliche Produkte alltäglich werden, kann man vielleicht auch ganz neue Produkte kreieren.»
Lokale Pflanzen als Rohstoff
Bekannt wurde «New Roots» mit veganen Käse-Alternativen und Joghurts aus Cashewkernen. Zukünftig soll das Sortiment mit Käse-Alternativen erweitert werden, die hauptsächlich auf lokalen Rohstoffen basieren.
Firmenchef Freddy Hunzikers Vision ist es, Schweizer Bauern von der Produktion von Kuhmilch wegzubringen. Er hofft, dass sie dereinst stattdessen Bohnen, Hülsenfrüchte, Raps oder ähnliches anbauen.
Welche Pflanze die Basis des neuen Halbhartkäses sein wird, verraten er und Verena Looser indes nicht. Sie selbst bezeichnen das neue Produkt als Käse-Alternative, weil der Begriff «Halbhartkäse» gemäss Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV dem Original aus Milch vorbehalten ist.
Ganz ohne Cashews wird die neue Käse-Alternative nicht auskommen. Kritikern, die monieren, das sei nicht nachhaltig, hält Freddy Hunziker entgegen, dass die von «New Roots» verwendeten Cashews aus nachhaltiger Produktion von Kleinbauern in Burkina Faso und Vietnam stammten und per Schiff in die Schweiz transportiert würden.
Tipps vom Lehrmeister
Das Käsen hat Verena Looser Ende der 1990er-Jahre beim Toggenburger Käsermeister Elmar Stadelmann in Ganterschwil gelernt. Bei ihm holt sie sich Tipps gegen unerwünschten Schimmel auf den geschmierten pflanzlichen Halbhartkäsen. Der heute 68-Jährige rät ihr, der Schmiere mehr Salz beizufügen: «Mit einem bisschen Salz bringst du es ganz sicher weg.»
Von Verena Looser hält er viel: «Sie war eine meiner ersten Lehrtöchter. Sie hat es mega gut gemacht. Und, dass sie immer innovativ war, habe ich gewusst.»
Für mich ist das ganz sicher keine Konkurrenz, sondern ein Miteinander.
Ihr Halbhartkäse sei noch nicht so weit, dass Verena Looser ihn Elmar Stadelmann zum Probieren geben will. Dafür hat sie ihm bei ihrem Besuch Joghurt mitgebracht, das sie entwickelt hat und das mittlerweile 30 Prozent der Absatzmenge von «New Roots» ausmacht.
Bei der Entwicklung hatte sie das Joghurt ihres Lehrmeisters vor Augen. Elmar Stadelmann ist begeistert, das Joghurt schmeckt ihm ausgezeichnet. «New Roots» steht er offen gegenüber: «Für mich ist das ganz sicher keine Konkurrenz, sondern ein Miteinander.»
Die meisten Angestellten von «New Roots» ernähren sich vegan. Auch Verena Looser isst weitgehend pflanzlich, aber nicht ausschliesslich: «Ich esse noch Käse, was in meiner Position auch ein Vorteil ist: So kann ich Kuhmilchkäse mit den pflanzlichen Käsen, die wir entwickeln, vergleichen. Die meisten Konsumentinnen und Konsumenten von uns sind auch Flexitarier, die den Vergleich ebenfalls haben. Von daher denke ich, ist das gar nicht schlecht.»
Stark wachsender Markt
Laut dem «Plant Based Food Report 2021» von Coop, bei dem in Zusammenarbeit mit dem Marktforschungsinstitut Link mehr als 2200 Personen online befragt wurden, ist die Anteil der Flexitarier – Menschen, die mehrmals pro Monat auf tierische Lebensmittel verzichten – an der Bevölkerung von 43 Prozent im Jahr 2016 auf aktuell 58 Prozent gestiegen.
Entsprechend lukrativ ist auch der Markt: Gemäss dem amerikanischen Marktforschungsinstitut Arizton betrug der Umsatz für Käse-Alternativen in Europa 2018 rund 345 Millionen US-Dollar (rund 319 Millionen Schweizer Franken). Aktuell liegt er bereits bei 515 Millionen US-Dollar (rund 476 Millionen Schweizer Franken). Gute Aussichten also für Verena Looser, Freddy Hunziker und «New Roots».