Die US-Notenbank FED hat die Leitzinsen drastisch erhöht – um einen dreiviertel Prozentpunkt – und weitere Zinsschritte stehen bevor. Ob das reicht, um die Teuerung in den Griff zu bekommen, ist fraglich. Denn nicht nur die bisherige Politik des billigen Geldes ist schuld am Preisauftrieb.
Ein wesentlicher Treiber waren in den letzten Monaten die gestiegenen Rohstoffpreise – etwa für Erdöl und Gas aus Russland. Dieser zusätzliche Inflationsschub ist primär eine Folge des russischen Angriffs auf die Ukraine. Mit Geldpolitik hat das direkt nichts zu tun. Und höhere Zinsen bewirken gegen den kriegsbedingten Preisschock wenig.
Risiko einer Rezession steigt
Trotzdem müssen sich die führenden westlichen Notenbanken den Vorwurf gefallen lassen, zu lange zugewartet zu haben. Mit ihrer späten, dafür umso heftigeren Reaktion auf die horrend hohe Inflation riskieren sie nun, die Konjunktur abzuwürgen.
Die US-Notenbank FED steigt voll auf die Bremse; die Europäische Zentralbank EZB hat auf Juli ebenfalls einen Zinsschritt angekündigt. Diese restriktive Politik könnte Arbeitsplätze kosten. Das würde die Konsumentinnen und Konsumenten zusätzlich plagen, die bereits unter steigenden Preisen leiden – und künftig vielleicht auch noch um ihre Stelle bangen müssen.
Zudem schwächt es die Glaubwürdigkeit einer Notenbank, wenn sie unter Druck – mit erheblicher Verspätung – handelt, nachdem sie lange zauderte und zuschaute, wie alles immer teurer wurde für die Bevölkerung.
Preisstabilität hat Priorität
Wenn das Vertrauen schwindet, wenn die Leute den Eindruck erhalten, dass FED, EZB & Co. ihrer Aufgabe nicht gewachsen sind, ist das doppelt gefährlich. Dann steigen – neben den Preisen – auch die Preis-Erwartungen.
Das befeuert die Inflation zusätzlich und ist aus geldpolitischer Sicht schlimm. Dann müssen noch höhere Zinsen her, damit klar wird: Für stabile Preise zu sorgen, ist nicht nur in der Theorie die wichtigste Aufgabe jeder Notenbank. Preisstabilität hat in der Praxis auch Priorität.
US-Notenbankchef Jay Powell hat diese Woche keinen Zweifel daran gelassen, dass er den Kampf gegen die Inflation aufnimmt. Er geht dabei sogar das Risiko eines wirtschaftlichen Abschwungs ein.
In Europa haben die EZB und auch die Schweizerische Nationalbank SNB nun die Gelegenheit, zumindest annähernd gleiche Entschlossenheit an den Tag zu legen. Besser spät als nie.