Der Traum jedes Gewerbetreibenden: Nirgends gibt es mehr Laufkundschaft als an Bahnhöfen. Eine Million Menschen verkehren täglich an den Pendel-Hauptadern in Zürich und Bern.
Monopolvorwurf an die SBB
Doch Detailhändler kritisieren die Geschäftspraxis der Vermieterin der Ladenflächen, der SBB: «Sie kann unabhängig von Anderen ihre Preise festlegen», sagt Dagmar Jenni, Geschäftsführerin der Swiss Retail Federation.
Sie vertritt 35 Detailhändler, wie Valora, Manor, Aldi, Lidl und Spar. Der SBB wirft sie eine Monopolstellung vor: «Es gibt ja keinen anderen Anbieter, der an Bahnhöfen Ladenflächen hat», sagt Jenni.
Zudem profitiere das Geschäft am Bahnhof von speziellen Ladenöffnungszeiten. Die Läden sind zum Teil bis um 22 Uhr geöffnet und auch am Sonntag: «Die SBB betreibt extreme Gewinnmaximierung», findet Jenni. Für Detailhändler bedeute das: «Entweder du bezahlst den Preis, oder du erhältst den Standort nicht.»
Zu hohe Mieten?
Wie hoch die Ladenmieten an Bahnhöfen tatsächlich sind, darüber schweigt die SBB. Die Swiss Retail Federation geht von bis zu 4500 Franken pro Quadratmeter im Jahr aus.
Ladenmieten in Bahnhöfen könnten sich nur grosse Unternehmen leisten, kritisiert Hans-Ulrich Bigler, Direktor des Gewerbeverbands und FDP-Nationalrat. «KMU haben gar keine Chance, an diesen interessanten Lagen ihr Geschäft aufzumachen.»
Die SBB wehrt sich gegen den Vorwurf der Gewinnmaximierung. Der Finanzchef von SBB Immobilien, Franz Steiger: «Wir wollen eine möglichst gute Aufenthaltsqualität für unsere Bahnreisenden.» Steiger betont, dass auch ein «schöner Anteil von lokal verankerten KMU» an Bahnhöfen vertreten seien.
Teuer, aber profitabel für die Grossverteiler
Ein Viertel der Ladenflächen in Bahnhöfen werden von Migros und Coop belegt. Coop-Chef Joos Sutter: «Der Bahnhof ist ein klarer Hotspot im Gesamtkontext des Detailhandels, der in den letzten Jahren unter Druck war.»
«Die Bahnhofsmieten gehören zu den höchsten, die wir für Verkaufsflächen bezahlen», schreibt die Migros auf Anfrage. «Dank der hohen Kundenfrequenz und den Öffnungszeiten ist der Betrieb profitabel».
Mächtige «SBB Immobilien»
Die Division «SBB Immobilien» hat sich zur zweitgrössten Immobilienfirma der Schweiz entwickelt – hinter Swiss Life. Die Mieteinnahmen an Bahnhöfen betrugen 2017 rund 180 Millionen Franken.
«SBB Immobilien» betreibt neben den Bahnhöfen auch Gewerbe, Büro und Wohnliegenschaften. Die gesamten Mieteinnahmen belaufen sich auf 487 Millionen Franken.
Mieteinnahmen sanieren die Pensionkasse
Mit den Einnahmen finanziert die SBB ihre Infrastruktur und auch die eigene Pensionskasse, die eine negative Anlagerendite erzielt. «Im Jahr 2017 hat SBB Immobilien eine Ausgleichzahlung zur Sanierung und Stabilisierung der Pensionskasse von 274.6 Millionen Franken geleistet», schreibt die SBB auf Anfrage.
Wenn das Immobilien-Geschäft mehr Erträge einbringe als der eigentliche Zweck, nämlich öffentlicher Verkehr, sei das in Frage zu stellen, meint Hans-Ulrich Bigler. «Wenn auch noch die Bedürfnisse der Pensionskasse hinzu kommen, stellt sich die Frage: Was ist der Anspruch der Öffentlichkeit an die SBB?»
Der Finanzchef von SBB Immobilien Franz Steiger sagt dazu: «Die Ausgleichszahlungen und der Gewinn der Division Immobilien helfen, die Last für Steuerzahler zu reduzieren und kommen auch dem Bahngast zugute».