Nur zwei Tage nach dem Untergang der Credit Suisse ist in Zürich ohne viel Aufhebens eine neue Bank an den Start gegangen: Radicant, eine Online-Bank für nachhaltige Anlagen. Die Gemeinsamkeit: Bei beiden Banken hat der Staat die Finger im Spiel.
Während bei der CS der Bund die Rettung mit der UBS orchestriert und mitfinanziert hat, ist Radicant eine Tochter der Basellandschaftlichen Kantonalbank BLKB, die wiederum dem Staat gehört.
Eine weitere Gemeinsamkeit: Sobald der Staat beteiligt ist, gibt es Kritik. Im Fall von Radicant ist es etwa das Baselbieter Kantonsparlament, das die Oberaufsicht über die BLKB hat und sich Sorgen macht wegen der Expansion mit Radicant in Zürich.
SVP-Landrat Peter Riebli hat grosse Bedenken: «Ich verstehe nicht ganz, wie die Bank zum Fliegen kommen soll.» So gebe es bereits ähnliche Angebote und auch finanziell sei einiges unklar. «Die Angst ist, dass der Kanton irgendwann einen dreistelligen Millionenbetrag abschreiben muss.»
Kritisch ist auch Bankenexpertin Monika Roth. Sie spricht gar von einem Marketing-Gag. So bietet Radicant Anlageprodukte an rund um die 17 UNO-Ziele für eine nachhaltige Entwicklung, darunter etwa die Bekämpfung von Armut und Hunger, Klimaschutz oder die Förderung von Bildung und Gesundheit. Dass nun in einem Produkt Aktien von Luxusgüterherstellern enthalten sind, macht für Roth keinen Sinn.
Es ist illusorisch, dem Publikum vorzumachen, man könne die 17 Ziele der UNO als Anlageziel verfolgen.
«Es ist illusorisch, dem Publikum vorzumachen, man könne die 17 Ziele der UNO als Anlageziel verfolgen. Denn es ist offensichtlich, dass man Armut nicht mit einer Anlage beispielsweise in Louis Vuitton bekämpfen kann», so Roth.
Dies sei durchaus sinnvoll, verteidigt sich Radicant. «Wir analysieren, ob eine Firma einen positiven Beitrag auf die Nachhaltigkeit hat», sagt Rouven Leuener. Das sei bei Louis Vuitton der Fall, etwa weil die Firma nachhaltig produziere und zudem viel für die Gleichstellung der Geschlechter mache.
Chef kurz vor Start freigestellt
Rouven Leuener ist Co-Chef von Radicant, aber nur interimistisch. Vorgänger Andres Bally wurde vor einem Monat per sofort abgesetzt. Der Vordenker der Bank hatte sich in einer internen Mail despektierlich über kritische Landräte geäussert. Diese älteren Herren würden das Disruptive an Radicant nicht verstehen, schrieb Bally etwa.
«Diese Mail war ungeschickt. Was er geschrieben hat, entspricht nicht unseren Werten», begründet Thomas Schneider die Freistellung. Der BLKB-Bankratspräsident wehrt sich aber gegen die Kritik, dass Radicant nicht zum Fliegen kommen werde. Bis jetzt habe die Bank alle Ziele erreicht und liege im Plan. «Wir erwarten, dass wir 2026 die Gewinnschwelle erreichen und ab dann Geld erwirtschaften», so Schneider.
Bislang hat die BLKB 70 Millionen Franken in Radicant gesteckt. Die neue Bank hat den Sitz im noblen Zürcher Seefeldquartier und beschäftigt dort bereits 55 Personen sowie weitere 30 in Portugal.
Wettbewerbsverzerrung wegen Staatsgarantie
Daneben expandiert die BLKB aber auch mit anderen Aktivitäten über die Kantonsgrenze, neuerdings mit Filialen in den Kantonen Basel-Stadt und Aargau oder einer Partnerschaft mit Lombard Odier, um sehr reiche Kunden zu betreuen.
Auch das missfällt Monika Roth. Sie kritisiert generell Kantonalbanken, die mit einer Staatsgarantie im Rücken über die Kantonsgrenze hinaus expandieren. «Dies führt zu einer Wettbewerbsverzerrung und ist eigentlich eine Risikoabwälzung auf den Steuerzahler.»
Thomas Schneider erwidert, die Staatsgarantie würde für Radicant gar nicht greifen, wie Gutachten zeigten. Zudem wolle der Kanton, dass die BLKB etwas gegen den Margenrückgang mache, damit auch künftig Gewinne an den Staat zurückfliessen.
«Im Baselbiet haben wir schon eine starke Marktstellung und sind da limitiert», sagt der Bankratspräsident. Darum suche man sich Geschäftsfelder auch ausserhalb des Kantons. Die BLKB macht damit das, was viele Kantonalbanken machen: die umstrittene Expansion mit einer Staatsgarantie im Rücken.