Ein erfahrener Mechaniker oder eine erfahrene Technikerin kann allein am Ton einer Maschine erkennen, ob sie kaputt ist. Florian Abt kann das bestätigen. Der Leiter des Ausbildungszentrums von Swissmechanic in Lenzburg sagt: «Manchmal drücken wir uns auch einen Schraubenzieher ans Ohr, halten ihn an die Maschine und erkennen am Geräusch, was da nicht stimmt.»
Doch erfahrene Mechanikerinnen und Techniker sind heiss begehrt und oft vergeblich gesucht. Und selbst wenn sie vor Ort sind, haben sie meist Besseres zu tun, als den ganzen Tag ihr Ohr an eine Maschine zu halten. Hier kommt die ETH Zürich ins Spiel: Dort haben Forschende einen Algorithmus entwickelt, der selbständig erkennen kann, ob eine Maschine «gesund» klingt oder nicht.
Industrie interessiert sich für die Methode
Möglich macht das ein maschinelles Lernverfahren – häufig auch als «künstliche Intelligenz» bezeichnet. Dabei wird ein Algorithmus mit vielen, vielen Beispielen trainiert, zu erkennen, wie eine normal funktionierende Maschine klingt. Stellt er eine Veränderung fest, löst er Alarm aus – hoffentlich noch bevor es zu einem kostspieligen Defekt kommt, oder die Maschine ganz kaputtgeht.
Der Algorithmus wurde bewusst nur darauf trainiert, wie eine «gesunde» Maschine klingt. Denn für Geräusche von Fehlern gibt es weit weniger Trainingsdaten – im Fall einer neuen Maschine gar keine. Im Gegensatz dazu wird dem Algorithmus beim sogenannten «unüberwachten Lernen» gar nicht erst gesagt, was er sich beibringen soll. Er muss die relevanten Muster selbständig erkennen.
50'000 Datenpunkte pro Sekunde
«Unser Algorithmus macht es nicht nur möglich, Maschinen automatisch und ohne bestimmte Vorkenntnisse zu überwachen», sagt Gabriel Michaud, der die Methode an der ETHZ zusammen mit Gaëtan Frusque und Olga Fink entwickelt hat. «Er kann auch neuen Technikerinnen und Technikern helfen, sich schneller Expertise anzueignen.» Das sei mit ein Grund, weshalb sich die Industrie für den Algorithmus interessiere. Der Industriekonzern OC Oerlikon war sogar an der Entwicklung der Technologie beteiligt.
Die Methode funktioniert mit allen Maschinen, die Geräusche machen. Bis zu 50'000 Datenpunkte pro Sekunde müssen dazu verarbeitet werden – nicht eben eine triviale Aufgabe, weiss Gabriel Michaud. Doch dank der vielen Trainingsdaten konnte der Algorithmus zum Beispiel lernen, zwischen dem eigentlichen Geräusch der Maschine und den stets wechselnden Hintergrundgeräuschen zu unterscheiden.
Für einen Techniker oder eine Technikerin besteht der interessante Teil der Arbeit nicht darin, eine Maschine zu überwachen – viel spannender ist es, eine defekte Maschine wieder zum Laufen zu bringen.
Und er hat auch gelernt, die Geräusche einer Maschine über die Zeit zu bewerten: Deutet eine Veränderung auf Verschleisserscheinungen hin? Oder hat sich der Klang über die Zeit hin ganz natürlich verändert? Eine Veränderung, die dem Algorithmus dann mit neuen Trainingsdaten beigebracht werden muss.
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Nur eines kann der Algorithmus nicht: Neben der Feststellung, dass etwas kaputt ist, auch erkennen, was genau kaputt ist. Doch mit seinen Daten, die Veränderungen bei bestimmten Frequenzen festhalten, könne er immerhin erfahrenen Fachleuten dabei helfen, der Ursache eines Defekts auf die Schliche zu kommen, sagt Gabriel Michaud
Die neue Technologie soll den Menschen also nicht überflüssig machen, sondern ihm nur den langweiligen Teil seiner Arbeit abnehmen. Gabriel Michaud stellt dazu fest: «Für einen Techniker oder eine Technikerin besteht der interessante Teil der Arbeit schliesslich nicht darin, eine Maschine zu überwachen – viel spannender ist es, eine defekte Maschine wieder zum Laufen zu bringen.»