Die steilsten Wände ohne Sicherung sind Dani Arnolds Gebiet. Als Extrem- und Speedkletterer hält der Urner zahlreiche Rekorde. 2017 hat ihn der Absturz von Ueli Steck schwer getroffen. Ein Gespräch über Gefahr, Besonnenheit und Risikomanagement.
SRF: Bergsteigen ist ein Konkurrenzkampf. Leider gibt es immer wieder tragische Zwischenfälle, die tödlich enden können. Wie geht man damit um?
Dani Arnold: Ich bin in Italien gewesen, als Ueli (Steck, Anm. der Redaktion) abgestürzt ist. Ich habe jegliche Motivation, Lust – alles verloren. Es hat Zeit gebraucht, um die Freude wieder zurückzubekommen. Ich mache das jetzt schon einige Jahre, und es wird immer schwieriger. Man weiss immer mehr, was passieren kann. Und man wird vorsichtiger.
Du kannst nicht Bergsteiger zu 50 Prozent sein.
Ein Beispiel: Die Nordwand am Latok 1 in Pakistan ist bis jetzt unbestiegen. Wir haben es zweimal versucht, sind zweimal gescheitert. Und ich werde nie wieder zum Latok 1 zurückgehen. Das Risiko ist mir jetzt einfach zu gross. Was in unserem Sport heikel ist: Auch am Pilatus, an einem vermeintlich einfachen Ort, geht es in die Tiefe. Aber du kannst nicht Bergsteiger zu 50 Prozent sein.
Aber es gibt schon einen Zusammenhang zwischen Risikobereitschaft und der Aufmerksamkeit, die darauf folgt. Das ist doch gefährlich.
Es ist ein extrem gefährliches Spiel. Es war ja so: Ueli war am Eiger, dann war ich am Eiger (Arnold bricht den Rekord von Steck, Anm. der Redaktion). Danach war wieder Ueli dort. Danach haben alle erwartet, dass ich noch mal zurück zum Eiger gehe. Das wäre eine mediale Geschichte gewesen.
Ginge das nach seinem Tod überhaupt noch?
Nein, natürlich nicht. Aber er ist erst einige Jahre später gestorben. Und ich habe das auch damals nicht gemacht. Denn wie definiere ich mich? Ich will gut sein im Bergsteigen, ich will Sponsoren, ich will gut davon leben können. Aber ich bin nicht nur Bergsteiger. Mir geht es auch noch um andere Dinge. Es ist extrem gefährlich: Mehr wilde Geschichten geben mehr Geld. Aber so funktioniert es nicht.
Wenn wir den Vergleich zur Wirtschaft ziehen: Welche Tipps würden Sie Unternehmen bezüglich Risikomanagement geben?
Ich würde sagen: Wenn du ein Projekt startest, dann lege deine Latte hoch. Versuche nicht, Durchschnitt zu sein, sondern orientiere dich am ganz Grossen. Auf dem Weg dorthin kannst du deine Fähigkeiten verbessern, dein Material, vielleicht auch die Leute um dich herum austauschen. Ob du am Schluss wirklich oben ankommst, spielt keine so grosse Rolle. Aber es ist wichtig, sich auf den Weg zu machen.
Wenn es nicht passt, dann sage: Nein.
Viele machen erst Studien und Meinungsumfragen. Probiere es einfach. Und ganz wichtig ist: Wenn es nicht passt, dann sage Nein. Beim Bergsteigen sind wir auch im Team unterwegs, wir sind eine Seilschaft. Und wenn mich mein Kollege nicht hält oder wenn ich das Vertrauen zu ihm nicht habe, dann kann ich sterben.
Das Gespräch führte Andi Lüscher.