«Uns geht es schlecht, also sollten wir nicht noch durch strenge CO2-Vorschriften gegängelt werden.» Mit dieser Argumentation macht die Auto-Industrie Druck auf die Schweizer Politik, die Klimaziele zu verschieben.
Im Interview mit «ECO» spricht sich Hans Hess dagegen aus. Die gesamte Industrie leide, aber das sei kein Grund, jetzt nachzulassen im Klimaschutz.
SRF: Die Auto-Importeure wollen die Gelegenheit nutzen, um die CO2-Vorschriften zu lockern. Was sagen Sie dazu?
Hans Hess: Wir, die Export-Industrie, müssen 96 Franken pro Tonne CO2-Abgabe bezahlen. Vielleicht werden es sogar noch 120. Auch wir müssen einen Beitrag leisten.
Sie wollen nicht auch eine Reduktion einfordern?
Wir sehen nicht, dass es ein Moratorium oder eine Reduktion braucht. Ich bin überzeugt, dass die Auto-Industrie leidet. Wir leiden auch, viele andere in diesem Land ebenfalls. Das liegt am Corona-Virus.
Aber deshalb jetzt all unsere guten Vorsätze zur Klima-Verbesserung über Bord zu werfen, ist nicht unsere Priorität.
Wer A sagt zum Klima, der muss auch B sagen zu einem etwas teureren Auto.
Das heisst, Klimaschutz hat für die Wirtschaft noch immer Priorität, auch zu Corona-Zeiten?
Ja. Auch unsere Kunden wollen das. Ich bin heute Abend auch mit meinem Hybrid-Auto hier ins Studio gefahren. Und ich bin davon überzeugt, dass die Auto-Importeure ihren Kunden auch sagen können: Wer A sagt zum Klima, der muss auch B sagen zu einem etwas teureren Auto.
Klimaschutz ist also kein Luxus, den man sich nur in guten Zeiten leisten kann und will?
Nein. Klimaschutz ist ein grosses Thema. Die Export-Industrie leistet grosse Beiträge zu diesem Klimaschutz. Auch das wollen wir exportieren können.
Wir sind jetzt auf den Weg eingespurt, dass wir uns um das Klima nachhaltiger kümmern werden. Und ich würde nicht empfehlen, dass wir diese Pläne über Bord werfen.
Wir werden im Mai und Juni in ein veritables Sturmtief kommen.
Die Industrie konnte ja in den vergangenen Wochen weiterproduzieren, um Gegensatz zu vielen Dienstleistern. Wie sieht der Auftragseingang für die nächsten Monate aus?
Wir sind schon 2019 geschrumpft, weltweit um etwa 5 Prozent. Im ersten Quartal ging es ähnlich weiter. Wir sind im Umsatz um über 6 Prozent und im Export um über 8 Prozent geschrumpft.
Seit April brauen sich Gewitterwolken zusammen, und ich denke, wir kommen im Mai und Juni in ein veritables Sturmtief.
Das zweite und dritte Quartal wird also sehr schlecht sein?
Ja, ich glaube, diese Quartale werden sehr schlecht sein. Zum einen schmelzen jetzt die Auftragsbestände wie Schnee in der Frühlingssonne. Es gibt wenig neue Aufträge. Die Firmen müssen schrittweise und immer mehr in Kurzarbeit gehen. Das wird eine sehr schwierige Situation.
Je länger die Krise dauert, desto pessimistischer bin ich.
Kurzarbeit ist das eine. Wird auch die Arbeitslosigkeit in der Industrie steigen in den nächsten Monaten?
Das hängt stark davon ab, wie sich diese Krise entwickelt und wie lange sie dauert. Am Anfang haben viele von uns gehofft, dass die Aufträge schnell wieder zurückkommen. Das sieht man auch in anderen Geschäften.
Aber je länger es dauert, desto pessimistischer bin ich, dass diese Krise Ende 2020 besser wird, vielleicht erst 2021.
Und dann wird es unumgänglich sein, gewisse strukturelle Anpassungen zu machen. Die Firmen müssen ihre Kostenbasis reduzieren, um weiterleben zu können und nicht unterzugehen.
Rechnen Sie auch mit einer Pleitewelle? Ist die Schweizer Industrie vor dem Untergang?
Das glaube ich nicht. Es kann vereinzelt Firmen geben, die diesen Strukturwandel tatsächlich nicht überleben. Aber unseren Konkurrenten im Ausland geht es auch nicht viel besser.
Und die Schweizer Maschinen- und Export-Industrie musste in den letzten Jahren wegen des starken Franken durch ein Stahlbad gehen. Wir sind sehr anpassungsfähig, sehr zäh, sehr fit geworden. Ich bin überzeugt, dass wir auch gestärkt aus dieser Krise herauskommen werden.
Das Interview führte Reto Lipp.