Jan-Egbert Sturm, Direktor der Konjunkturforschungsstelle (KOF) der ETH Zürich, ist voller Optimismus: «Ein Blick auf die Geschäftslage der befragten Unternehmen zeigt, dass abgesehen vom Gastgewerbe alle Bereiche wieder auf Vorkrisenniveau oder deutlich drüber sind.»
Besonders die Industrie läuft auf Hochtouren. Gemäss KOF ist die Erholung breit abgestützt – von der Elektro- über die Chemie- bis zur Maschinenindustrie. Auch im Detailhandel ist die Geschäftslage gut, ebenso bei den Finanz- und Versicherungsgesellschaften.
Bau fast erholt – leichte Entspannung bei Gastronomie
Im Baugewerbe läuft das Geschäft fast wieder wie vor der Krise. Gastronomie und Hotellerie stecken zwar noch tief in der Krise, aber auch dort entspannt sich die Lage ein wenig.
Die Pandemie habe ihren Schrecken verloren – zumindest in der Wirtschaft, sagt Sturm. Selbst die grassierende Delta-Variante des Coronavirus bereitet ihm kaum Sorgen: «Wir bemerkten bereits im Winterhalbjahr, dass die Pandemie in der Wirtschaft zwar Spuren hinterlässt. Aber nicht mehr in dem Ausmass wie im Frühjahr 2020. Jetzt ist sicherlich nicht zu befürchten, dass wir sofort wieder in eine Rezessionsphase geraten.»
Jetzt ist sicherlich nicht zu befürchten, dass wir sofort wieder in eine Rezessionsphase geraten.
Die Wirtschaft werde also nicht mehr auf breiter Front einbrechen. Sie sei widerstandsfähiger, wohl auch dank der Fortschritte beim Impfen, sagt Sturm. Doch er betont, dass ein drastischer Anstieg der Ansteckungszahlen wieder Schaden anrichten würde: «Wenn die Pandemie wieder an Kraft gewinnt, werden die Leute voraussichtlich zuerst wieder vorsichtiger abwägen, ob sie in einen Zug steigen oder grössere Veranstaltungen besuchen.»
Das würden die spezifischen Firmen und Wirtschaftssektoren zu spüren bekommen. Die grossen anderen Bereiche der Wirtschaft stünden aber so gut da, dass das wahrscheinlich kaum grössere Folgen haben werde.
Die grossen anderen Bereiche der Wirtschaft stehen aber so gut da, dass das wahrscheinlich kaum grössere Folgen haben wird.
Lieferketten noch nicht vollständig retabliert
Was den von der KOF befragten Schweizer Unternehmen hingegen Kopfzerbrechen bereitet, ist die Knappheit von Rohstoffen oder Vorprodukten, also von Teilen, die zugekauft und dann weiterverarbeitet oder montiert werden. Es gibt weiterhin Lieferengpässe, weil Unternehmen rund um den Globus die Produktion praktisch gleichzeitig hochfahren.
«Runterschalten können alle gleichzeitig. Aber hochfahren braucht etwas mehr Zeit. Die Lieferketten müssen wieder richtig in Gang kommen. Das wird noch ein Weilchen dauern bis zur alten Routine», so Sturm.
Die Lieferketten müssen wieder richtig in Gang kommen. Das wird noch ein Weilchen dauern bis zur alten Routine.
Die Knappheit führt auch dazu, dass Vorprodukte und Rohstoffe teurer werden. Der KOF-Direktor geht aber nicht davon aus, dass die Unternehmen die höheren Einkaufspreise gleich in grossem Mass an die Konsumentinnen und Konsumenten weitergeben. Normalisiert sich die Liefersituation wieder, könnte auch der Preisdruck wieder abnehmen.