Gute Gesundheit ist Lebensqualität und die kostet: 2021 in der Schweiz über 86 Milliarden Franken, das zeigen die neusten Zahlen des Bundesamts für Statistik. Das sind fast 6 Prozent mehr als im Vorjahr. Das hängt zwar auch mit Corona zusammen, aber weil die Bevölkerung älter wird und die Medizin immer mehr kann, wird es wohl auch künftig teurer werden.
In einem Bereich führt der medizinische Fortschritt nicht nur zu besserer Qualität, sondern auch zu grossen Einsparungen: Bei immer mehr Eingriffen können die Ärztinnen und Ärzte operieren, ohne viel Gewebe zu verletzen, und so können Patientinnen und Patienten zuhause statt in einem teuren Spitalbett gesunden. Das passiert bereits: Wie die neusten Zahlen zeigen, werden rund 32 Prozent der Behandlungen in Krankenhäusern ambulant durchgeführt.
Für die Spitäler lohnen sich ambulante Eingriffe kaum
Ambulante Operationen sind für die Kantone, die Krankenkassen und auch für die Patientinnen und Patienten selber günstiger. Wie viel, ist von Operation zu Operation verschieden.
Ambulant ist zwar günstiger, für die Spitäler sind ambulante Eingriffe aber finanziell wenig attraktiv. Das hat zwei Gründe: Erstens bedeutet günstiger für die Allgemeinheit weniger Umsatz für die Spitäler. Und zweitens sind die Tarife im ambulanten Bereich – laut Angaben des Spitalverbands H+ – nicht kostendeckend.
Wieso trotzdem immer mehr ambulant operiert wird
Vor allem Investitionen könnten mit den ambulanten Tarifen nicht gedeckt werden, sagt Kristian Schneider, Vizepräsident des Spitalverbands H+ und Spitaldirektor von Biel. Und trotzdem wird immer mehr ambulant operiert.
Er erklärt es so: «Erstens müssen wir gewisse Operationen ambulant durchführen.» Seit Anfang Jahr hat das Bundesamt für Gesundheit eine Liste mit 18 Eingriffsgruppen eingeführt, die nur ambulant vergütet werden. Das heisst, wenn sie das Spital ohne guten Grund trotzdem stationär durchführt, erhält es nur den viel tieferen ambulanten Tarif – ein Minusgeschäft.
Zweitens seien die neuen Möglichkeiten, Eingriffe ambulant vorzunehmen, eine gute, sinnvolle Medizin. «Es ist ja schon eher gefährlich, in einem Spitalbett zu liegen.» Denn im Spital zentrierten sich Bakterien und Viren, und damit steigt die Gefahr von Infektionen und Ansteckungen. Zudem erholten sich Patienten und Patientinnen zuhause schneller, vor allem, weil sie sich mehr bewegten.
Es ist ja schon eher gefährlich, in einem Spitalbett zu liegen.
Angst vor blutigen Entlassungen
Das gelte aber nicht in jedem Fall, sagt Susanne Gedamke von der Stiftung für Patientenschutz: «Wenn die Nachbetreuung nicht organisiert ist, dann kann es zuhause ebenso gefährlich werden.» Sie höre oft von zu frühen Entlassungen. Grundsätzlich befürwortet aber auch sie den Trend hin zu mehr ambulanten Operationen, viele Patientinnen wünschten sich das auch.
Für die Spitäler komme die Ambulantisierung genau zum richtigen Zeitpunkt, sagt Schneider. Ambulante Operationen brauchen weniger Ressourcen: «Und wir brauchen die Fachkräfte und die Betten künftig für die älteren, kränkeren Patienten.» Ohne gehe es nicht.
Wir brauchen die Fachkräfte und die Betten künftig für die älteren, kränkeren Patienten.
In Frankreich werden rund 60 Prozent der neuen Hüften ambulant eingesetzt, in der Schweiz gerade mal 1 Prozent. Das Ziel sei aber nicht, möglichst viel ambulant zu operieren, sondern da, wo medizinisch angezeigt. Darin sind sich der Spitaldirektor und die Patientenschützerin einig. Klar ist aber auch: Das Potenzial ist gross.