Ein Minus von vier Prozent in diesem Jahr – im Minimum. Das blüht der Schweizer Wirtschaft. Die Gesundheitsbranche, darunter Arzt- und Therapiepraxen, leidet noch stärker. Die Einkommen schrumpfen wegen Kurzarbeit oder Entlassungen teils massiv. Nur die Krankenkassenprämien steigen: um bloss 0.5 Prozent zwar, aber dennoch.
Null vor dem Komma täuscht
Die Erhöhung betrage ja bloss ein halbes Prozent, könnte man beschwichtigen. Im Frühjahr seien viel höhere Aufschläge befürchtet worden. Der Prämienanstieg sei der drittkleinste der letzten gut 20 Jahre. Das stimmt alles. Und doch stimmt für viele etwas nicht mehr.
Der längerfristige Blick zeigt: Vor zwölf Jahren noch kostete die durchschnittliche Krankenkassenprämie von Erwachsenen um die 260 Franken pro Monat. Im kommenden Jahr sind es gut 375 Franken – ein Plus von 44 Prozent seit 2009. Dass die Prämien auf ihrem bereits sehr hohen Niveau nächstes Jahr kaum mehr steigen, ist dabei ein schwacher Trost.
Prämienanteil am Haushaltsbudget steigt
Die Entwicklung der Ausgabenseite scheint – nur von 2020 auf 2021 betrachtet – also unspektakulär. Doch bei den Einnahmen vieler Versicherter ist momentan nichts mehr, wie es einmal war. Hunderttausende sind in Kurzarbeit, viele davon bei 80 Prozent Lohn. Für sie bedeutet auch ein Prämienanstieg im Null-Komma-Bereich angesichts des Lohnausfalls eine massive Mehrbelastung.
Auch für die gesamte Bevölkerung gehen Konjunkturforscher dieses Jahr von sinkenden Einkommen aus: durchschnittlich im Minimum ein Minus von zwei Prozent. Weil Zwangsausgaben wie jene für die Krankenkassen steigen, sinkt das effektiv verfügbare Einkommen der Haushalte noch etwas stärker.
Und Haushalte, die sparen müssen, lassen die Umsätze von Geschäften und Lokalen noch stärker schrumpfen, als sie es durch die Corona-Einschränkungen ohnehin schon tun.
Keine Frage: Wollte man die Wirtschaft in der Krise stützen, müssten die Krankenkassenprämien dieses Jahr sinken. Der Bund allerdings darf bei der Bewilligung der beantragten Prämien keine Wirtschaftspolitik betreiben. So will es das Gesetz. Allein die Kostenentwicklung im Gesundheitswesen zählt.
Konjunkturstützung durch die Hintertür
Die lahmende Wirtschaft erhält von Bundesrat und Krankenkassen mitten in der grössten Rezession trotzdem ein wenig Unterstützung: Die Glücklichen unter den Versicherten profitieren davon, dass ihre Krankenkasse freiwillig etwas von ihren hohen Reserven abbaut und an die Prämienzahler rückvergütet. Insgesamt 211 Millionen Franken fliessen so an die Versicherten bestimmter Kassen in bestimmten Kantonen.
Was für 2021 erst in bescheidenem Rahmen möglich scheint, soll künftig die Wirtschaft, falls nötig, durchaus noch kräftiger ankurbeln können. Das sieht offenbar auch die Landesregierung so: «Der Bundesrat ist jedoch der Ansicht, dass eine Mehrheit der Versicherer noch über zu hohe Reserven verfügt», schreibt er in der Mitteilung zur Prämienanpassung.
Man will künftig also zumindest Anreize schaffen, damit die Versicherer ihre Reserven abbauen. Für die aktuelle Corona-Rezession kommt diese Massnahme allerdings zu spät.