Ein sonniger Tag in Arosa. Gregor Bühler, 63, ist für die Sicherheit am Skilift zuständig. Ein Job, den er zwar gerne macht, für den er aber überqualifiziert ist. Der gelernte Ingenieur und Betriebsökonom war während zehn Jahren selbständig als Projektleiter und Trouble-Shooter tätig. Plötzlich blieben die Aufträge jedoch aus.
Das war vor drei Jahren. Seither hält sich der Frühsechziger mit Übergangsjobs und Arbeitslosen-Versicherungsgeldern über Wasser. Die Aussteuerung ist dem Bündner bisher erspart geblieben.
Nicht erspart geblieben ist diese der 56-jährigen Barbara Sollberger. Nach erfolgloser Vermittlung durch das regionale Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) wurde die kaufmännische Angestellte ausgesteuert und rutschte in die Sozialhilfe. Ein Tiefpunkt in ihrem Leben, an dem sie auch mit Existenzängsten zu kämpfen hatte, so Sollberger.
Handlungsbedarf bei den RAV
Für Arbeitssuchende über fünfzig gestaltet sich die Stellensuche oft besonders schwierig. Die regionale Verwurzelung der RAV kann da eine weitere Hürde darstellen. Georg Bühler ist im Kanton Graubünden gemeldet. Sein Profil ist aber eher in städtischen Gebieten wie Zürich, Basel oder Bern gesucht. «Ich kann nicht davon profitieren, wenn in Zürich eine Stelle gemeldet wird, für die ich geeignet wäre», sagt Bühler. Hier bedürfe es einer Öffnung der RAV.
Handlungsbedarf bei den RAV sieht auch Tino Senoner. Er ist Vizepräsident bei der Schweizerischen Stiftung für Arbeit und Weiterbildung (SSAW). Der Arbeitsmarktexperte stellt fest, dass die RAV ihre Weiterbildungs-Massnahmen nicht schnell genug an die Bedürfnisse des Arbeitsmarktes anpassen würden. Heutzutage würden Kompetenzen gefordert, die vor ein bis zwei Jahren noch nicht gesucht gewesen seien, so Senoner.
Es sei zudem wichtig Transparenz zu schaffen, sagt der SSAW-Vizepräsident. Es gäbe in der Schweiz rund 100'000 Ausgesteuerte. Es sei wichtig zu wissen, wer diese Personen seien, damit man ihnen individuelle Wege aufzeigen könne.
Gesetzliche Fristen wichtiger als individuelle Fähigkeiten
Ein Zukurzkommen der individuellen Lösungssuche hat auch Barbara Sollberger festgestellt. Der Fokus bei den RAV läge stark auf der Einhaltung staatlicher Vorgaben. Es werde minutiös darauf geachtet, dass die Anzahl vorgegebener Bewerbungen eingehalten und keine Frist verpasst würde. Dadurch geriete die Person mit ihren Fähigkeiten und ihrer Passgenauigkeit auf vorhandene Stellen in den Hintergrund.
Gian Reto Caduff vom Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit Graubünden, das auch für die Arbeitsvermittlung zuständig ist, hält dagegen, dass die gemeldeten Stellen in Zeiten geringer Arbeitslosigkeit rarer und die Vermittlung dementsprechend schwieriger sei. Er weist zudem auf begrenzte finanzielle Mittel hin und die Tatsache, dass die Möglichkeiten der RAV aufgrund gesetzlicher Vorgaben begrenzt seien.
Wiedereingliederung über Ausbildungspraktikum
Der Weg zurück ins Arbeitsleben ist trotz Sollbergers Befürchtungen geglückt. Ihre neue Stelle hat sie mit Hilfe der SSAW gefunden. Die gemeinnützige Stiftung setze dort an, wo die Zuständigkeit der RAV aufhöre und arbeite eng mit Unternehmen zusammen, erklärt Vizepräsident Senoner. Oft gelinge die Wiedereingliederung über ein Ausbildungspraktikum. Gregor Bühler ist weiterhin auf der Suche nach einer festen Stelle.